Kooperation mit Polen wird ausgebaut
Historiker Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll in Beirat des Deutschen Historischen Instituts Warschau bestellt - Symposium untersuchte deutsch-polnische Beziehungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Ostmitteleuropa bildet in Forschung und Lehre einen wichtigen regionalen Schwerpunkt an der TU Chemnitz. Mit den Nachbarländern Polen und Tschechien bestehen vielfältige Kooperationen, die sich beispielsweise in ERASMUS-Partnerschaften, internationalen Tagungen und gemeinsamen Studiengängen niederschlagen. Auf institutioneller Ebene kommt nun ein weiterer Vernetzungspunkt hinzu: Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll, Inhaber der Professur Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, wurde als neues Mitglied in den Wissenschaftlichen Beirat des Deutschen Historischen Instituts (DHI) in Warschau berufen und reist Ende Oktober zur Beiratssitzung ins Nachbarland.
Der Chemnitzer Historiker ist für zunächst vier Jahre Mitglied eines neunköpfigen, international besetzten Gremiums, welches das Institut in allen wissenschaftlichen Fragen unterstützt und berät. "Die Kooperation mit den ostmitteleuropäischen Ländern und insbesondere Polen nimmt in Chemnitz einen hohen Stellenwert ein", erläutert Kroll seine Motivation, die neue Aufgabe anzunehmen. "Meine Professur unterhält beispielsweise eine Partnerschaft mit der Staatlichen Fachhochschule Oświęcim, in deren Rahmen im April und Mai mehrere polnische Studenten bei uns zu Gast waren. Für unsere Studenten besteht ebenfalls die Möglichkeit, ein Semester im Nachbarland zu verbringen." Neben Krolls Professur ist auch die Professur Europäische Integration von Prof. Dr. Matthias Niedobitek an der Partnerschaft mit der Einrichtung im 50 Kilometer von Krakau entfernten Oświęcim beteiligt.
Zusätzlich zu seinem neuen Amt ist Kroll weiterhin Mitglied in mehreren ähnlichen Gremien renommierter Einrichtungen, etwa dem Wissenschaftlichen Beraterkreis der Bundesstiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" in Berlin oder dem Wissenschaftlichen Beirat des Instituts für Zeitgeschichte München. Anfang September wurde er zudem in Coburg zum 1. Vorsitzenden der Prinz-Albert-Gesellschaft e.V. gewählt. "Auch zu meiner Tätigkeit als Vorsitzender der Preußischen Historischen Kommission ergeben sich nun neue Verbindungen, mit deren Hilfe die Preußenforschung weiter zu Ostmitteleuropa hin geöffnet werden kann", ergänzt Kroll.
Das 1993 gegründete DHI in Warschau ist eines von insgesamt sechs Deutschen Historischen Instituten im Ausland. Es wird als Teil der bundesunmittelbaren Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland (DGIA) aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung finanziert. Aufgabe des Instituts, das seinen Sitz im Warschauer Palais Karnicki hat, ist die wissenschaftliche Erforschung der Geschichte Polens und der deutsch-polnischen Beziehungen im europäischen und internationalen Kontext. Zudem soll der Forschungstransfer zwischen deutschen und polnischen Historikern befördert werden.
Ein weiteres wichtiges Anliegen ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in der historischen Polen- und Ostmitteleuropaforschung - Aspekte, die auch in Chemnitz im Mittelpunkt zahlreicher Aktivitäten an den Instituten für Europäische Geschichte und Europäische Studien stehen und maßgeblich von den Professuren Europäische Regionalgeschichte (Prof. Dr. Miloš Řezník) und Kultur- und Länderstudien Ostmitteleuropas (Prof. Dr. Stefan Garsztecki) getragen werden. Jüngste Frucht solcher Bemühungen war ein vom Sächsischen Staatsministerium des Innern und der Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien gefördertes Symposium zum Thema "Deutsche und Polen in Schlesien und Pommern", das am 20. Oktober 2011 auf Schloss Krobnitz (Oberlausitz) stattfand. Es war federführend vom Chemnitzer Historiker Dr. Hendrik Thoß gemeinsam mit Ilona Scherm sowie Dr. Steffen Menzel vom Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund konzipiert worden. Acht deutsche und polnische Wissenschaftler betrachteten auf der von Prof. Kroll moderierten Veranstaltung die Beziehungen beider Staaten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, vor allem in der Zeit des Ersten Weltkriegs. Auch Prof. Garsztecki war mit einem Vortrag beteiligt. Der Polenexperte widmete sich der polnischen "Nationalen Idee im Spannungsfeld zwischen Föderationsgedanke und nationaler Verengung" mit Blick auf die beiden politischen Gegenspieler Roman Dmowski (1864-1939) und Józef Piłsudski (1867-1935). Dr. Thoß referierte über die deutschen, russischen und österreich-ungarischen Pläne zur "polnischen Frage" im Ersten Weltkrieg.
Im Rahmen des Symposiums wurde zudem ein Sammelband mit den Beiträgen des ersten "Krobnitzer Gesprächs" im vergangenen Jahr präsentiert. Unter dem Titel "Nachdenken über Preußen" versammelt er in einem ersten Abschnitt Überlegungen zu den so genannten "Preußischen Tugenden" in Geschichte und Gegenwart. Ein zweiter Teil ist dem preußischen Generalfeldmarschall und Politiker Albrecht von Roon (1803-1879) gewidmet, der den Tagungsort Schloss Krobnitz 1871 als Alterssitz erworben hatte und maßgeblich umgestalten ließ. Redaktionell betreut wurde der Band von Martin Munke, Mitarbeiter an der Professur für Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts und beim Ziel 3 / Cíl 3-Projekt Sächsisch-Tschechische Hochschulinitiative (STHI). Das mittlerweile dritte "Krobnitzer Heft" erscheint im Selbstverlag des Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbunds und ist über dessen Geschäftsstelle zu beziehen. Auch die Beiträge der diesjährigen Veranstaltung sollen in dieser Form publiziert werden.
Weitere Informationen erhalten Interessenten auf der Homepage des DHI Warschau unter http://www.dhi.waw.pl und auf der Homepage des Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbunds unter http://www.oberlausitz-museum.de sowie bei Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll, Telefon 0371 531-33922, E-Mail frank-lothar.kroll@tu-chemnitz.de, und Martin Munke, Telefon 0371 531-39214, E-Mail martin.munke@tu-chemnitz.de.
(Autor: Martin Munke)
Katharina Thehos
24.10.2011