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Professur Kultureller und Sozialer Wandel
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Exkursionsbericht: Portugiesische Erinnerungsorte
Quarta-feira/Mittwoch, 27.09.2006

Zeitig in der Früh holte uns das Portugalmobil ab, im gecharterten Kleinbus mit Fahrer und Platzproblemen ging es auf nach Guimarães, der ersten Hauptstadt des selbständigen Königreiches Portugal (1139). Die sehr alte Kleinstadt gilt als Wiege der Nation und sie entwickelte sich um die Burg herum, welche die Heimat der portugiesischen Könige war. Wir wurden um 9 Uhr in der Altstadt empfangen vom Leiter des in Fafe ansässigen Museu da Emigração der sich uns für den Tag als Tourguide bereitstellte. Seine lebhaften und interessanten Erklärungen ließen die Morgenmüdigkeit verschwinden und bescherten einen freudvollen und abwechslungsreichen Stadtrundgang als dessen Highlight sich der abschließende Besuch der Burg herausstellte. Das Erklettern der Mauern und der herrliche Ausblick in die diesige Landschaft ließ auch die letzten noch verschlafenen Gesichter erwachen und die patriotische Bedeutung des Ortes erahnen.

Im Eiltransfer ging es flott weiter nach Fafe, wo als erstes eine in der örtlichen Mehrzweckhalle aufgebaute Ausstellung über die politische Emigration nach Frankreich während des Salazar-Regimes besucht wurde. Auch hier erwiesen sich der Museumsleiter und sein Assistent als vertrauenswürdige Ansprechpartner und komplementierten die Ausstellung mit ihren lebhaften Ergänzungen.

Im Anschluß ging es weiter in das Rathaus wo der Klassenverband von städtischen Würdenträgern und dem Bürgermeister empfangen wurde. Frau Dr. T. Pinheiro wurde die Ehre zuteil, mit den anwesenden Vertretern der Stadt von der lokalen Presse zum Fotoshooting gebeten zu werden. Der Besuch der Chemnitzer Exkursion galt als Highlight und sollte gut dokumentiert werden. Nach dem offiziellen Teil im Großen Saal der Camara Municipal bestiegen wir schon wieder das Portugalmobil und erkämpften uns über ungezählte Serpentinen den Anstieg zum bereits sehnsüchtig erwarteten Mittagsmahl in der reizvollen Landschaft der Region. Unser Führer hatte an einem idyllisch gelegenen Stausee ein Büfett, um almoço muito grande, organisiert bei welchem alle lokalen Spezialitäten aufgetischt wurden. Bei der dargebotenen Auswahl an Fisch-, Fleisch-, Gemüsespezialitäten sowie Kuchen und Torten hatte die Gruppe die Möglichkeit, sich für die zweite Hälfte des Tages zu stärken.

Nach der in traditionell portugiesischer Manier mit starkem Kaffee abgeschlossenen Mittagspause erfuhren wir mit dem Portugalmobil das Hinterland der Küstenstadt von der aus wir in den Tag gestartet waren. Wir besuchten eine inmitten weitläufiger Felder gelegene Agrarkulturinstitution die es sich zur Aufgabe gemacht hat, althergebrachte Techniken des Flachswebens, Spinnens und Strohstrickens zu bewahren. Die nicht mehr selbst im Ackerbau tätigen Frauen aus den umliegenden Dörfern führten verschiedene maschinelle und manuelle Verarbeitungstechniken vor. Alle Exkursionsteilnehmerinnen waren begeistert von den vielfältigen Möglichkeiten der Betätigung im vorindustriellen, agrarisch geprägten Umfeld und schlossen auch für sich selbst eine Karriere in diesem Wirtschaftssektor nicht aus.

Nach einer Rundfahrt durch die von Buschfeuern des vergangenen Jahres geprägte Landschaft zurück nach Fafe wurde die Gruppe eingeladen zum Besuch der zukünftigen Niederlassung des bisher nur virtuell existierenden Museu da Emigração, einer im 19. Jahrhundert von aus Brasilien wiedergekehrten Einwohnern der Stadt errichteten Stadtvilla. Darin soll das reiche Erbe und der große kulturelle, wirtschaftliche und soziale Einfluß der heimgekehrten Emigranten im typischen Wohnumfeld erklärt werden. Die Stadt profitierte sehr von dem Reichtum der Heimkehrer und entwickelte sich im 19. Jahrhundert unter deren Einfluß zu einem Zentrum fortschrittlicher liberaler Ideen und zu einem Zentrum des Widerstands gegen das Salazar-Regime im 20. Jahrhundert. Seine lange und unterhaltsame Tagesführung beendete unser Tourguide landestypisch mit dem Genuß der verschiedenen Kaffees bica, gallão und meia com leite und nutzte die aufgrund der sich einstellenden Erschöpfung des Klassenverbandes erste ruhige Minute zur Feedback-Runde die von den Teilnehmerinnen genutzt wurde, um ihm für den bisher wohl abwechslungsreichsten Tag der Exkursion zu danken.

Glücklich, zufrieden und total erschöpft bestieg der Klassenverband das Portugalmobil und wir fuhren los in Richtung Coimbra. Dort in der Jugendherberge eingecheckt, wurden noch verschiedene Vorträge in Vorbereitung des kommenden Tages gehört und dann wurde der geordnete Rückzug in die Schlafgemächer angetreten.