MADRID MONUMENTAL

 

JUNIORPROFESSUR KULTURELLER UND SOZIALER WANDEL

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Cervantes, Don Quijote und Sancho Panza begegnet man in Madrid auf Schritt und Tritt. Straßen, Statuen oder Buchhandlungen tragen den Namen des Schriftstellers, und der Umriss des langen Ritters mit seinem umfänglichen Begleiter schmückt Häuserfassaden, Werbeplakaten und Brunnen. Im Folgenden widmen wir uns zweier Cervantes-Denkmäler, die von Erinnerungspolitik in Spanien des 19. Jahrhunderts ein klares Zeugnis ablegen.

Die Cervantes-Statue auf der Plaza de las Cortes

Die Plaza de las Cortes ist ein Platz im Zentrum von Madrid, der sich zwischen den Straßen Carrera de San Jerónimo und Calle del Prado befindet. Dieser Platz stellte früher das Eingangstor zur Stadt Madrid dar. Heutzutage befinden sich dort das Abgeordnetenhaus, die Statue von Miguel de Cervantes Saavedra und das Hotel Palace. Die Plaza de las Cortes umfasst insgesamt ca. 3.700 m2.

Das Cervantes-Denkmal liegt direkt gegenüber vom Congreso de los Diputados (dt.: „Abgeordnetenhaus“) – umgeben von im Sommer rotblühenden Blumen – im Zentrum eines kleinen Parks mit Bäumen und Bänken. Dieses ist das erste Denkmal in Madrid, das zu Ehren eines Zivilisten errichtet wurde. Die Erbauung der Statue erfolgte im Jahr 1835 – ermöglicht durch einen finanziellen Beitrag von Manuel Martínez Vaerla, dem Generalkommissar der Kreuzzüge im Jahr 1824 und Mitglied der Real Academia de Historia. Der aus Barcelona stammende Bildhauer Antonio Solá entwarf die Statue in Rom. Anschließend wurde sie von den preußischen Künstlern Guillermo Hopsgarten und Luis Jollage aus Bronze gegossen.[1] Sie ist eine Abbildung von Cervantes in zeitgemäß edler Kleidung, der in seiner rechten Hand eine Papierschriftrolle und in seiner linken ein Schwert hält.

Der Architekt Isidro González Velázquez entwarf den viereckigen Sockel. Die Vorderseite enthält eine Inschrift: A Miguel de Cervantes Saavedra, príncipe de los ingenios Españoles. Año de M.D.CCC.XXXV (dt.: „Für Miguel de Cervantes Saavedra, Prinzen der spanischen Genies. Anno 1835“).

Auf der linken Seite des Sockels ist ein Bild von Don Quijote und seinem treuen Knappe Sancho Panza zu sehen: Der Herr auf seinem Pferd Rosinante mit Lanze und Schild in der Hand vorneweg und der Knecht auf dem Esel hinterher durch das Land reisend. Über ihnen schwebt ein Engel, der ihnen den Weg weist.

Auf der rechten Seite befindet sich eine Darstellung eines Löwen in einem Käfig, die auf Don Quijotes Abenteuer mit den Löwen verweist. In dieser Geschichte begegnet er einem Transport zweier wilder, hungriger Löwen. Don Quijote will sich den Tieren zum Kampfe stellen und bedrängt den Wärter, den Käfig zu öffnen. Als dieser der Aufforderung nachgeht, reckt sich der Löwe kurz, legt sich dann wieder hin und streckt Don Quijote sein Hinterteil entgegen. Der erdenfremde Ritter betrachtet dies als Sieg und gibt sich künftig den Beinamen „Ritter von den Löwen“.[2] Diese Geschichte erzählt ein weit bekanntes und oft zitiertes Abenteuer des Ritters und ist gleichzeitig ein Paradebeispiel für Don Quijotes verzehrte Wahrnehmung der Wirklichkeit.

Der Bürgermeister von Madrid Alberto Ruiz-Gallardón erteilte im Jahr 2005 den Auftrag, die Plaza de las Cortes neu zu gestalten. Daraufhin entdeckten Handwerker – bei der Bewegung der Statue – am 5. Dezember 2009 im achtkantigen Sockel des Denkmals eine Zeitkapsel. Darin befanden sich vier Bände des Don Quijotes aus dem Jahr 1819, Porträts von Isabella II. und anderen Persönlichkeiten der damaligen Zeit, ein Buch über das Leben von Cervantes, Gesetzestexte, Handschriften, Münzen und mehrere Pakete mit noch nichtidentifizierten Objekten.[3] Sowohl die sorgfältige Verpackung der Gegenstände in Blei- und Glas-Boxen, als auch die Verwendung von Chemikalien zur Konservierung, haben dazu geführt, dass der Inhalt der Kapsel auch heute noch in einem ausgezeichneten Erhaltungszustand ist. Dies zeigt, dass die Madrider 1834 die ihnen wichtigen Objekte präzise und akribisch in der Zeitkapsel verstaut hatten, damit diese auch für die zukünftigen Generationen gut erhalten blieben. Der Akt der Installation von Zeitkapseln in besonders wichtigen Monumenten ist schon aus der Antike bekannt und lässt sich auch heute noch in anderen Bereichen Madrids finden: Bei der Gründung des Congreso de los Diputados – mit Silberkellen, Verfassungstexten und Münzen oder bei der Eröffnung der Grand Vía.[4]

Heute – über 175 Jahre nach der Erbauung dieses Denkmals – befinden sich die gefundenen Objekte im Museo Arqueológico Regional in Alcalá de Henares, dem Geburtsort Cervantes. Dem Vizepräsidenten und Minister von Kultur und Sport in Madrid Ignacio González ist es zu verdanken, dass diese Gegenstände nun in einem hermetisch verschlossenen Sarg aus Blei im Museum liegen – als eine Hommage an Cervantes und an den historischen Entstehungskontext der Statue.

Neben dem Einbau von Zeitkapseln zeigt auch der Entwurf der Statue durch den größten Künstler dieser Zeit – Antonio Solá – die große historische Bedeutung des Denkmals und somit auch die Bedeutung von Cervantes in ganz Spanien.

Das Cervantes-Denkmal auf der Plaza de España

Das Denkmal von Miguel Cervantes ist zentral gelegen auf der Plaza de España, im Barrio de Palacio.Die Plaza de España ist einer der bekanntesten Plätze Madrids zwischen der Altstadt und dem modernen Madrid. Es liegt zwischen zwei Wolkenkratzern, dem Edificio España und der Torre de Madrid. Die Plaza de España trennt die Calle Princesa von der Gran Vía, Madrids traditioneller Einkaufstraße. Ursprünglich war dieses Gebiet ein Ort außerhalb der Stadt. Später wurde das Gebiet unter dem Namen Leganitos Prado bekannt. Hierher kamen die Einheimischen auf der Suche nach frischer Luft in den warmen Nächten kamen. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde das Gebiet vom spanischen Militär als Kasernenstützpunkt genutzt. Später überließ das Militär, nachdem die Kaserne abgerissen wurde, das Areal der zivilen Nutzung, weil Madrid sich immer weiter ausdehnte.

Im frühen 20. Jahrhundert wurde der Platz neu gestaltet und erhielt die Monumentalität, die ihm heute noch charakterisiert. Der Plan für diese Neugestaltung der Plaza de España wurde 1915 von den Architekten Teodoro Anasagasti und Mateo Inurria entworfen. Geplant waren eine Erweiterung des Platzes und die Errichtung eines Cervantes-Denkmals sowie repräsentativer Gebäude, die in ideologische Übereinstimmung mit dem Namen des Platzes und der patriotisch-nationalistischen Gesinnung der damaligen Zeit stehen sollten. Der Entwurf des 1928-1930 errichteten Cervantes-Denkmals stammt von den Architekten Rafael Martínez Zapatero und Pedro Muguruza, die Skulpturen von Lorenzo Coullaut Valera.

Über den Bäumen ragt das kolossale Cervantes-Denkmal hervor: Vor der Säule sitzt der berühmte Dichter erhaben auf einem stilvollen Stuhl. Sein Blick fällt auf eine Bronzemedaille und auf zwei kleinere Reiterstatuen, welche den Protagonisten Don Quijote (auf dem Pferd) aus dem gleichnamigen Roman sowie seinen Diener Sancho Panza (auf dem Esel) darstellen. Auf der anderen Seite der Säule ist ein halbkreisförmiger Brunnen zu sehen, dessen Wasser in mehreren Strahlen kaskadenförmig in eine weitere Wasserebene verläuft. Über dem Monument ragt eine Weltkugel, in der alle fünf Kontinente abgebildet sind – eine Allegorie auf die weltweite Verbreitung der spanischen Sprache.[5]

Der Bau des Denkmals wurde erst in den 1950er Jahren vollendet. Parallel dazu wurden das Edificio España (1953) und die Torre de Madrid (1957) erbaut, was dem monumentalen Charakter des Platzes vollendete. Die Hegemonie des spanischen Sprache, symbolisiert durch die Weltkugel, die Erhabenheit der spanischen Literatur, wofür das Cervantes-Denkmal steht, und die Modernität, die von den Wolkenkratzern suggeriert wird – all diese Elemente machen aus der Plaza de España ein symbolischer Ort nationaler Selbstinszenierung im politischen Diskurs des Franquismus.

Die Cervantes-Gedenktafel in der Calle de Atocha

Die Calle de Atocha befindet sich in Madrid, zwischen der Provinz und der Paseo del Prado. Auf dieser Straße kommt man an einem kleinen Garten vorbei, welcher ursprünglich der Friedhof für die nebenan liegende Kirche Iglesia de San Sebastián war. Am Eingang der Kirche, auf der Straße Atocha belegt eine Gedenktafel, dass an diesem Ort die Sterbeurkunden von Miguel de Cervantes anzusehen ist, und die Hausnummer 87 beinhaltet die alten Gebäude der Druckerei von Juan de la Cuesta, die die erste Ausgabe des Don Quijote druckte.[6]

2005 feierte eine der ganz großen Figuren der Weltliteratur einen runden Geburtstag: Don Quijote de la Mancha wurde 400 Jahre alt. Trotz dieses fortgeschrittenen Alters hat er nichts an Popularität und Attraktivität eingebüßt. Im Gegenteil: Das seit der ersten Auflage von 1605 in alle Kultursprachen übersetzte Werk des Miguel Cervantes hat es bisher auf fast 2.500 Ausgaben gebracht und gehört zur obligatorischen Lektüre der spanischsprachigen Welt.

Eine Inschrift der Real Academia Española (dt.: „Königliche Spanische Akademie“) mit den Hausnummern 20 und 21 erinnert daran, dass Don Quijote vor 400 Jahren geschrieben wurde. Auf der Straße vor dem Haus sind Zeilen aus Don Quijote in goldenen Buchstaben aufgeschrieben. Das Haus ist sonnengelb und die großen Fenster sind durch Bambusjalousien verdeckt, die vor starke Sonneneinstrahlung schützen sollen.

Lesen Sie mehr:

 


[1] Gea Ortiga 2002.
[2] Cervantes Saavedra 2010: 144-156.
[3] Belen 2009.
[4] Belen 2009.

[5] Ortigas 2002.
[6] Ortigas 2002.