Konzept des Projekts
Das Hauptaugenmerk des Projekts Madrid Monumental gilt der Entstehung des Gedankens einer einheitlichen spanischen Nation. Wie in vielen anderen Staaten Europas wurden auch in Spanien im Zuge des Unabhängigkeitskriegs gegen Napoleon die Weichen zur Entstehung des modernen Nationalstaates im Zeichen der Volkssouveränität gestellt. Zwei Fragen haben unser Projekt geleitet. Wir wollten zum einen wissen, welche Themen der Geschichte in die Entwürfe einer einheitlichen spanischen Nation aufgenommen wurden. Zum anderen interessierte uns die Darstellung dieser Themen im öffentlichen Raum durch Denkmäler, Gebäude, Monumente oder Straßennamen.
Um dieser Frage nachzugehen, haben wir im Stadtbild Madrids nach Objektivationen[1] der offiziellen Erinnerungskultur gesucht. Die Stadt Madrid, die 1561 von Philipp II. zur Hauptstadt der spanischen Reiche erhoben wurde, konzentriert seither die Symbole des zentralen spanischen Nationalstaats. In der national-liberalen Ära wurde die Hauptstadt planmäßig monumentalisiert.[2]
Wir suchten in erster Linie nach Denkmälern, dann aber auch nach Straßennamen, Monumenten oder Gebäuden, die vom voluntaristischen Akt des Nation-Building im 19. Jahrhundert zeugten. In der spanischen Hauptstadt befinden sich zahlreiche Monumente aus dieser Zeit, die auf zentrale Erinnerungsorte[3] der spanischen Nation verweisen. In unserem Projekt haben wir eine Auswahl solcher Erinnerungsorte zusammengestellt.
Unsere Herangehensweise an diese Themen war eine doppelte. Ausgehend von Denkmälern, die sich heute in Madrid befinden, widmeten wir uns zunächst den darin evozierten Erinnerungsorten, d.h. den historischen Ereignisse oder den Personen, auf die die Denkmäler jeweils verweisen. Anschließend befassten wir uns mit der Entstehungszeit des jeweiligen Denkmals – meist im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Dabei wollten wir herausfinden, welche Bedeutung dem angesprochenen Erinnerungsort in der Konstruktion einer spanischen Nationalidentität im 19. Jahrhundert zukam.
Neben solchen Denkmälern, die Themen und Personen der Geschichte evozieren, stießen wir während der Feldforschung auch auf Gebäude, die Institutionen beherbergen, die ähnlich wie die Denkmäler während der nationalliberalen Ära mit der Funktion eingerichtet wurden, eine nationalspanische Identität zu stabilisieren. Für die Deutung dieser Institutionen gebrauchten wir ebenfalls einen doppelten Ansatz: Zunächst widmeten wir uns dem Kontext ihrer Entstehung und suchten anschließend nach der Bedeutung dieser Institutionen für den spanischen Nationalstaat.
Um unsere empirische Erhebung nicht durch vorgefertigte Erwartungen zu beeinflussen, entschieden wir uns für ein induktives Vorgehen. Auf diese Weise sind wir auf Themen gestoßen, mit denen wir nicht von vorneherein gerechnet hatten. Gleichwohl erheben wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wir haben Proben gesammelt, die zwar möglichst repräsentativ für die Erinnerungskultur im öffentlichen Raum Madrids sein sollten – und um dies zu erreichen, bewegten wir uns hauptsächlich im historischen Zentrum von Madrid, in dem die staatliche Erinnerungspolitik die meisten Nationaldenkmäler errichtete. Solche Proben, das ist uns bewusst, bleiben jedoch immer eine Auswahl.
Lesen Sie mehr:
[1] Assmann 1988: 13.
[2] Fernandez Delgado 1979: 23.
[3] Nora 1990.
Bibliografie:
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Assmann, Jan / Hölscher, Tonio (Hrsg.) (1988): Kultur und Gedächtnis. Franfurt a.M.: Suhrkamp.
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Fernández Delgado, Javier u.a. (1979): La Memoria Impuesta. Estudio y catálogo de los monumentos conmemorativos de Madrid (1939-1980). Madrid: Ayuntamiento de Madrid.
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Nora, Pierre (1990): Zwischen Geschichte und Gedächtnis. Berlin: Wagenbach.
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