Der Marokko-Krieg
Die „Tragische Woche“ im Sommer 1909 in Barcelona stellte einen weiteren Tiefpunkt in der Erschütterung des Restaurationssystems dar. Hintergrund war abermals der spanische Imperialismus. Nachdem die letzten Überseegebiete mit Kuba, den Philippinen, Puerto Rico und Mikronesien verloren gegangen waren, wandte sich Spanien dem afrikanischen Kontinent zu. Obwohl die europäischen Großmächte auf der Berliner Konferenz von 1884 den größten Teil des Kontinents bereits unter sich aufgeteilt hatten, suchte Spanien nach letzten freien Gebieten auf der Landkarte, um an dem imperialen Fieber der Zeit teilzunehmen. Ziel war die Kompensation der verlorenen Gebiete in Amerika. Abgesehen von Äquatorialguinea, einigen Teilen Marokkos und dem von Marokko heute kontrollierten Gebiet Westsahara blieb jedoch nichts für Spanien übrig. Hinsichtlich der Gebiete in Marokko legte der spanisch-französische Vertrag von 1904 die Interessensphären der beiden Länder fest. Das spanische Einflussgebiet beschränkte sich auf die Rif-Region im Norden des Landes. Obwohl Spaniens Position dort international anerkannt war, kam es mit den einheimischen Völkern vermehrt zu Auseinandersetzungen. Die Situation in der Nordzone blieb also weiterhin problematisch und verwickelte das Land erneut in einen verlustreichen Kolonialkrieg.[1]
Da sich die reiche Bevölkerung vom Militärdienst freikaufen konnte, wurde der Marokkokrieg von den Arbeitern als Klassenkrieg betrachtet. Als immer mehr Reservisten nach Marokko geschickt wurden, heizte das den Missmut gegen die Regierung nochmals an. Als Folge verwandelte sich der ausgerufene Generalstreik im Juli 1909 zu einem anarchistischen und antiklerikalen Aufstand, der „Tragischen Woche“. In der Folge wurden Verantwortliche des Aufstandes festgenommen, verurteilt und sogar teilweise hingerichtet.[2]
Obwohl der Krieg in der Bevölkerung äußerst unpopulär war, das Heer sich darüber aufspaltete und die Kosten ins Unermessliche stiegen, änderte sich an der Kolonialpolitik nichts. Spanien verstrickte sich zunehmend in das Marokkoabenteuer, welches nicht nur zum endgültigen Zusammenbruch des Restaurationssystems führte, sondern auch zum Tod vieler Soldaten.[3] An diese Ereignisse erinnern nun auch jene beiden Denkmäler.
Ángel Melgar y Mate
Zwischen Oper und Königspalast befindet sich auf dessen Ostseite die halbrunde Plaza de Oriente. Diese bildet das historische Zentrum von Madrid. Im südlichen Teil des Platzes, in den Gärten von Lepanto, befindet sich gegenüber dem Königspalast und an der Calle de Bailén das Denkmal für Ángel Melgar y Mata.
Das Denkmal wurde auf Initiative von König Alfonso XIII. errichtet, welcher auch den Boden und das nötige Material für die Errichtung des Monuments zur Verfügung stellte. Das Monument wurde am 21. Dezember 1911 eingeweiht. Auf einer Grünfläche stehend ragt das Denkmal 3,60 Meter in die Höhe.[4]
Ángel Melgar y Mate lebte von 1876 bis 1909 und war ein spanischer Kommandant, welcher am spanischen Kolonialkrieg in Kuba, Puerto Rico und auch in Marokko beteiligt war. In dem Jägerbataillon Arapides 9 kämpfte er während des Afrika-Krieges in Melilla und starb bei der Schlacht von Barranco del Lobo, bei der auch 153 weitere spanische Soldaten ums Leben kamen. Nach seinem Tod erhielt er die höchste Auszeichnung des spanischen Miltitärs – das Auszeichnungskreuz von Sankt Ferdinand. Einige dieser Informationen sind auch als Inschrift auf einem Sockel vor dem Denkmal zu finden.[5]
Das grau-schwarze Denkmal ist aus Bronze und Marmor erbaut. Es besteht aus einem Sockel, auf dem der Oberkörper von Àngel Melgar abgebildet ist, und einem kleineren bewaffneten Soldaten, welcher den Sockel zum Oberkörper erklimmt und ihm Blumen entgegenstreckt. Der einzelne Soldat steht symbolisch sicherlich für die ganze Kompanie; für alle in diesem Krieg beteiligten Soldaten. Das Entgegenstrecken der Blumen ist vermutlich eine Geste der Anerkennung und des Dankes für den Mut und die bewiesene Stärke.
Das Monument wurde, wie schon das Monument für Vara de Rey und die Helden von El Caney, durch den Bildhauer Julio González Pola geschaffen.
Luis Noval
Ebenfalls auf der Plaza de Oriente befindet sich das Denkmal Luis Novals, welches am 8. Juni 1912 eingeweiht wurde. Es befindet sich im nördlichen Teil des Platzes in den Gärten von Cabo Noval, zwischen den Straßen Calle de San Quentin und Calle de Pavia, etwas versteckt zwischen Bäumen in einer Ecke.[6]
Das einfache, aber schöne Denkmal wurde in Erinnerung an Luis Noval errichtet. Noval war ein spanischer Unteroffizier und am Kolonialkrieg in Afrika beteiligt. Er wurde am 16. November 1887 in Oviedo geboren und kam nach kurzer Gefangennahme bei einem Feuergefecht in Melilla im Norden Marokkos in der Nacht vom 27. zum 28. September 1909 ums Leben. Obwohl er sich mitten unter der maurischen Armee in Gefangenschaft befand, forderte er in der Angriffsnacht das spanische Militär heldenhaft zum Beschuss der Mauren auf, bei dem er selbst getötet wurde.Andere Quellen berichten, dass neben seiner Leiche sein blutiges Bajonett gefunden wurde und in der unmittelbaren Nähe zwei maurische Leichen, welche mit Bruststichen durch ein Bajonett getötet wurden.Weil er sein Leben für die Verteidigung der spanischen Positionopferte, galt Noval als Volksheld der spanischen Gesellschaft des frühen 20. Jahrhunderts. Er erhielt dafür ebenfalls das Auszeichnungskreuz von Sankt Ferdinand.[7]
Erbaut wurde das Monument aus Bronze und Stein und wurde aus Geldern von einflussreichen spanischen Frauen der damaligen Zeit, darunter Königin Victoria Eugenia, finanziert. Das Denkmal ist 6,50 Meter hoch und besteht im Wesentlichen aus drei Teilen. Im unteren Teil ist die Darstellung mehrerer kleiner Soldaten in einem Relief in Stein gehauen. Die Soldaten weisen eine leidvolle Körpersprache auf. Sie symbolisieren das Geschehen der Unglücksnacht im Jahr 1909. Der zweite Teil ist ein Sockel aus hellem Stein, welcher folgende Inschrift trägt: Iniciado por mujeres españolas se eleva este monumento a la gloria del soldado Luis Noval. Patria no olvides nunca los que por ti mueren (dt.: „Aus einer Initiative von spanischen Frauen wird dieses Monument zum Ruhm des Soldaten Luis Noval errichtet. Vaterland, vergiss nie diejenigen, die für dich sterben“).[8] Darüber befindet sich Luis Noval als bewaffneter Soldat mit Gewehr und Bajonett. Um ihn herum breitet eine Frau die spanische Fahne aus. Diese Elemente sind wiederum aus hellem Stein gefertigt. Die Fahne steht für das spanische Vaterland und die Frau symbolisiert den Sieg.[9]
Der Bildhauer des Denkmals ist Mariano Benlliure aus Valencia. Er stammt aus einer Familie mit einer großen künstlerischen Tradition und zählt zu den bekanntesten spanischen Bildhauern des 20. Jahrhunderts.[10]
Bedeutung der Monumente heute
Grundsätzlich haben Denkmäler mit gefallenen Soldaten erinnernde aber auch anklagende Funktion. Den Soldaten wird dadurch vor allem Dank für ihren geleisteten Einsatz und Mut entgegengebracht. Die Monumente strahlen Tapferkeit, Kameradschaft, Treue, Vaterlandsliebe, Opferbereitschaft und Pflichterfüllung bis über den Tod hinaus aus. Mit den Denkmälern werden einerseits die Personen geehrt und es wird an ihr Wirken erinnert. Andererseits werden aber auch die Sinnlosigkeit des Krieges und das Sterben der Soldaten angeklagt. Die Monumente mahnen zu Frieden und Vernunft. Das unbedachte politische Verhalten ist im Falle der Kolonialkriege besonders stark ausgeprägt. Ziel- und sinnloses Machtstreben in einer politisch schwierigen und unsicheren Phase hat in dieser Zeit vielen Soldaten auf tragische Art das Leben gekostet.
Mit den errichteten Denkmälern wird an Madrids wichtigsten Orten ständig an die Geschehnisse und Folgen der Kolonialkriege erinnert. Vor allem die Platzierung auf dem Plaza de Oriente in der Nähe des Königspalastes ist ein Zeichen für die Wichtigkeit der Erinnerung an die gefallenen Soldaten. Nicht zuletzt zeigen uns diese Denkmäler, dass nicht nur Siege, sondern auch Niederlagen zu den symbolträchtigen Fixpunkten der Vergangenheit gehören, auf die sich eine Nation besinnt.
Andreas Riedel und Anna Zywietz
[1] Bernecker 1993: 261.
[2] Bernecker 1993: 261f.
[3] Bernecker 1993: 262.
[4] Escultura Urbana 2010.
[5] Arte Historia 2010.
[6] Es Madrid no Madriz 2011.
[7] Es Madrid no Madriz 2010.
[8] Es Madrid no Madriz 2010.
[9] Es Madrid no Madriz 2010.
[10] Escultura Urbana 2010.
Bibliografie:
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Arte Historia(Hg.) (2010): "Monumento a Angel Melgar y Mata (Madrid)" in: Arte Historia. URL: http://www.artehistoria.jcyl.es/es/histesp/obras/20645.htm, Zugriff 29.12.2010.
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Atenea(Hg.) (2010): “El Cabo Noval. Cicunstancias y fama” in: Revista Atenea. URL: http://www.revistatenea.es/revistaatenea/revista/articulos/GestionNoticias_959_ESP.asp, Zugriff: 3.12.2010.
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Bernecker, Walther L. (2005): Geschichte Spaniens. Stuttgart: Kohlhammer.
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Bernecker, Walther L. / Pietschmann, Horst (1993): Geschichte Spaniens. Stuttgart: Kohlhammer.
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Escultura Urbana (Hg.) (2010a): “Julio González-Pola y García” in: Escultura Urbana. URL: http://www.esculturaurbana.com/paginas/gonpj.htm, Zugriff: 03.01.2011.
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Escultura Urbana (Hg.) (2010b): “Mariano Benlliure y Gil” in: Escultura Urbana. URL: http://www.esculturaurbana.com/paginas/ben.htm, Zugriff: 29.12.2010.
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Escultura Urbana(Hg.) (2010c): “Monumento al Capitán Melgar” in: Escultura Urbana. URL: http://www.esculturaurbana.com/paginas/gonpj005.htm, Zugriff: 29.12.2010.
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