Die Bedeutung Kolumbus im 19. Jahrhundert
Im 15. Jahrhundert entdeckte Kolumbus Amerika. Im 19. Jahrhundert wurde er zur Berühmtheit und als Held gefeiert. Historiker veröffentlichten in der Zeit alles, was über ihn auffindbar war. Dazu zählen viele Bücher, die über das Leben und die Taten von Christoph Kolumbus im 15. Jahrhundert entstanden, sowie die berühmten Bordbücher der Entdeckungsreisen.[1] Besonders die Kirche war daran interessiert, Kolumbus für ihre Zwecke einzuspannen, wollte sie ihn doch als einen Gesandten Gottes inszenieren, der nach Amerika segelte, um den christlichen Glauben zu verbreiten. Es gab jener Zeit sogar Bemühungen, Kolumbus selig sprechen lassen. Zu diesem Antrag fand auch eine Anhörung statt, die jedoch mit entschiedener Mehrheit abgelehnt wurde.[2]
In diesem Kontext einer ideologisch dominierten regen Beschäftigung mit Kolumbus und den Entdeckungen ist auch das Kolumbus-Denkmal auf der Plaza de Colón entstanden.
Das Kolumbus-Denkmal
Das Monument des Christoph Kolumbus (sp.: Monumento a Cristóbal Colón) basiert auf einem Quadrat mit einem Relief und einer achteckigen Säule. Es wurde in Stein gehauen und befindet sich über dem Kaskadenbrunnen. Der Unterbau wird bestimmt durch verzierte Türmchen und die Seitentafeln zeigen Abbildungen verschiedener Episoden, in denen sich Kolumbus‘ Biographie und die Geschichte Spaniens verschränken.
Steht man als Besucher vor dem Denkmal, fällt sofort auf, dass der Sockel im Vergleich zu den anderen Teilen des Monuments mit seinen 15 Metern sehr massiv und dominant wirkt. In den Sockel des Monuments eingemeißelt, steht die Inschrift „Kolumbus hat Kastilien und León eine neue Welt geschenkt – 1885“.
Auf der Tafeln des viereckigen Sockels sind vier Episoden aus Kolumbus’ Leben abgebildet. Die westlichen Tafeln sind Kolumbus und der Franziskanerbruder Juan Pérez gewidmet. Zwischen den beiden Figuren befindet sich eine Darstellung des gekreuzigten Jesus Christus. Eingeschlossen wird das Bildnis von einem nach oben geöffneten Rundbogen. Kolumbus erzählte Juan Pérez von seinen Plänen und hoffte auf dessen Unterstützung. Juan Pérez war auch der Mann, der Kolumbus eine Audienz bei den Katholischen Königen verschaffte. Zur Veranschaulichung seines Vorhabens ist ein Globus dargestellt, auf dem Kolumbus seine Hand hält.
Die nächste Tafel in der historischen Reihenfolge weist nach Osten. Auf dieser ist der Empfang Kolumbus durch Isabella I. von Kastilien dargestellt. Als Folge der Unterredung bewilligte die spanische Königin seine Reise nach Indien.
Kolumbus’ Expedition ist auf der südlichen Seite des Sockels festgehalten. Auf dieser sieht der Betrachter das Schiff Santa Maria, mit dem Kolumbus am 3. August 1492 in See stach. Über der Karracke befindet sich eine Hemisphäre, die als „Neue Welt“ bezeichnet ist. Umrahmt wird das Relief von einem geschlossenen Rundbogen.
An der gegenüberliegenden Tafel werden die spanischen Seefahrer abgebildet und namentlich erwähnt, die an der „Entdeckung“ Amerikas am 12. Oktober 1492 beteiligt waren.
Viele neogotische Merkmale, wie zum Beispiel Spitzbogenfriese, Flachschnitzereien und Binnenkränze, spiegeln sich in dem Monument wieder. Die Kolumbusstatue überblickt mit offenen Armen und einem Kreuz in der Hand den Kolumbusplatz. Sie symbolisiert die Missionierung der entdeckten Gebiete.
Entstehung des Kolumbus-Denkmals
Anlass für den Bau der Kolumbus-Statue war die Heirat Alfons XII. mit María de las Mercedes von Bourbon-Orléans, Prinzessin von Montpensier im Jahre 1878.[3] Um die Eheschließung zu feiern, wurde ein Wettbewerb zur Errichtung eines Kolumbus-Denkmals auf der Plaza de Santiago ausgeschrieben.[4] Erstplazierte waren der Architekt Arturo Mélida.
Der Sockel wurde vom Architekten Arturo Mélida im neogotischen Stil entworfen. Die Neogotik erlebte ab 1830 ihre Blütezeit und entwickelte sich zu einem weit verbreiteten Kunst- und Architekturstil, der sich besonders in Kirchen und Rathäusern widerspiegelte.[5] Der Rekurs auf neogotische Elemente wirkt wie ein Zitat aus dem Zeitalter der Entdeckungen, das im ausgehenden 19. Jahrhundert als eine glorreiche Epoche erinnert wurde.
Die Statue wurde vom Bildhauer Jerónimo Suñol in den Jahren von 1881 bis 1885 im neogotischen Stil erbaut. Jerónimo Suñol wurde 1840 in Barcelona geboren und starb mit 62 Jahren in Madrid. Er war ein außergewöhnlicher Künstler, der sich nicht an die starren Grenzen des neogotischen Stils im 19. Jahrhundert hielt, sondern seine eigene Kreativität nutzte, um die Statuen zu etwas Besonderem zu machen. Er beschäftigte sich immer ausgiebig mit jeder seiner Skulpturen und arbeitete sehr detailreich. Neben der Statue von Kolumbus in Madrid fertigte er auch eine für den Central Park in New York an.[6]
Die Einweihung des Gesamtensembles war für den 4. Januar 1886, anlässlich des 400-jährigen Jubiläums der Rückkehr von Kolumbus aus seiner ersten Amerika-Reise. Aber der Tod von Alfons XII. im November 1885 veranlasst zunächst einen Baustopp, woraufhin das Denkmal erst am 12. Oktober 1892 – 400 Jahre nach der Entdeckung Amerikas – der Stadt Madrid ohne offizielle Einweihung übergeben wurde.[7]
Die Rolle Kolumbus im 19. Jahrhundert
Die Aufwertung von Kolumbus und seine Heroisierung im 19. Jahrhundert haben verschiedene Gründe. Zum einen konzentrierten sich die Historiker und Literaten in dieser Epoche wieder mehr auf einzelne, beinahe vergessene Personen und ihre heldenhaften Taten. Zum anderen lässt sich die späte Verehrung von Kolumbus mit dem Historismus erklären. Im 19. Jahrhundert suchte das spanische Volk nach historischen Vorbildern der eigenen Geschichte, um die nationale Identität zu bestätigen.[8] Wie Wilhelm Bittorf treffend formuliert: „Der Columbus-Kult des 19. Jahrhunderts, dessen Echo noch heute aus so vielen Ecken schallt, sah seinen Helden als personifizierten Fortschritt, als Aufklärer, der gegen die dumpfe Rückständigkeit seiner Mitmenschen kämpfen mußte.“[9]
Den Historikern gelang es vor allem Kolumbus als Helden darzustellen, weil sie ihm die Eigenschaften „von Größe, von Genialität, von einer unnachahmlichen Erfindungsgabe und von Phantasie zugeschrieben haben“.[10] Auch seine Kühnheit wurde von vielen bewundert und Victor Hugo beschrieb ihn mit dem Satz „Kolumbus` Größe besteht nicht darin, daß er angekommen ist, sondern darin, daß er losgefahren ist.“[11]
All das sind auch Gründe, aus denen viele Denkmäler und Statuen in dieser Epoche erbaut wurden. Nicht nur in der Hauptstadt Madrid erinnert man sich an die bedeutenden Personen der Vergangenheit. So wurde zum Beispiel in Barcelona eine Statue zu Ehren des Christoph Kolumbus errichtet. Auf dem Platz Portal de la Pau (dt.: „Tor des Friedens“) steht das Monument, welches ein Werk des Bildhauers Rafael Atché ist. Es wurde im Rahmen der Weltausstellung von Barcelona angefertigt und daraufhin 1888 eingeweiht. Eine weitere Kolumbusstatue steht auf Gran Canaria. Hier hielt der Seefahrer auf dem Weg nach Amerika und wurde mit Vorräten für die lange Reise versorgt.
So feierten die Spanier 1892 das 400. Jubiläum der Entdeckung von Amerika in vielen spanischen Städten, wie beispielsweise in Sevilla. Diese Feierlichkeiten stellten das immer noch vorhandene Überlegenheitsgefühl und das Sendungsbewusstsein der Entdeckernation Spanien dar.[12]
Die Bedeutung Kolumbus in der Gegenwart
Welche Bedeutung besitzt Kolumbus nun im 21. Jahrhundert? Die Erinnerung an Kolumbus im heutigen Spanien hat freilich wenig mit den imperialistischen Tönen des nationalistischen Zeitalters gemein. Dennoch bewahren der Genueser und die Entdeckung Amerikas einen privilegierten Platz in der spanischen Erinnerungskultur. Im Mai 2006 etwa gedachte Spanien dem 500. Todestag von Christoph Kolumbus. Was macht die Aktualität von Kolumbus in Zeiten postkolonialer Kritik für die spanische Nationalidentität aus? Das Wochenmagazin Stern fasste das Leben von Kolumbus unter folgendem Tenor zusammen: „Nach einem Leben voller Irrtümer: Er wollte nach Indien – und entdeckte Amerika. Er wähnte sich unter Wilden – und zerstörte eine Hochkultur. Er sah sich als Held – und wurde in Ketten gelegt. Die Geschichte eines Mannes, der Europa in die Neuzeit stieß.“[13] Vielleicht sind es gerade diese Widersprüche, die heute den Erinnerungsort Kolumbus füllen: ein Mann, der für Europas Übergang in die Neuzeit steht – zum Guten wie zum Bösen.
Katja Schuster, Carolin Kupke und Verena Dittrich
[1] Granzotto 1988: 357ff.
[2] Granzotto 1988: 365ff.
[3] Bernecker / Pietschmann 2005: 526.
[4] Den heutigen Namen erhielt dieser Platz im Jahre 1893 (Reyero 2003: 50-51).
[5] Baur 1986: 115.
[6] Reyero 2003: 51.
[7] Reyero 2003: 51.
[8] Warwor / Heydenreich 1995: 40ff.
[9] Bittorf, Wilhelm 1992.
[10] Granzotto 1988: 368.
[11] Zit. nach Granzotto 1988: 368.
[12] Wawor / Heydenreich 1995: 30-42.
[13] Kruttschnitt 2006.
Bibliografie:
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Ballesteros, Antonio (1943): Geschichte Spaniens. 3. Auflage, München: Oldenbourg.
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Baur, Christian (1986): Neugotik. Stilkunde, 26.
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Bernecker, Walther L. (2000): Geschichte Spaniens – Von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. 3. Auflage. Stuttgart: Kohlhammer.
-
Bernecker, Walther L. (2003): Spanische Geschichte – Vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart. 3. Auflage. München: Beck.
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Bernecker, Walther L. / Pietschmann, Horst (2005): Geschichte Spaniens- Von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. 4. Auflage. Stuttgart: Kohlhammer.
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Bittorf, Wilhelm (1992): "SPIEGEL-Autor Wilhelm Bittorf über Christoph Columbus und die Anfänge der abendländischen Weltherrschaft" in: Der Spiegel, 01.01.1992, URL: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13687243.html (letzter Abruf: 24.10.2010)
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Granzotto, Gianni (1988): Christoph Kolumbus. Eine Biographie. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.
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Kruttschnitt, Christine (2006): „Aufbruch in die Neue Welt“ in: Der Stern. URL:http://www.stern.de/wissen/natur/christoph-kolumbus-aufbruch-in-die-neue-welt-561785.html, letzter Abruf: 26.11.2010
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Maertin, Ralf-Peter (1998): „Märtyrer der Macht. Philipp II. von Spanien oder: Die Erfindung der Bürokratie“ in: Zeit Online. URL:http://www.zeit.de/1998/37/Maertyrer_der_Macht, Zugriff: 17.11.2010.
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Nebrija, Antonio (1946 [1492]): Gramatica castellana. Hrsg. von Galindo Romeo, Pascual / Ortiz Muñoz, Luis. Bd. I. Madrid: Junta del Centenario.
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Reyero, Carlos (2003):„Monumentalizar la capital: la escultura conmemorativa en Madrid durante el siglo XIX“ in: Lacarra Ducay, María del Carmen / Giménez Navarro, Cristina (Hgg.), Historia y política a través de la Escultura pública 1820-1920, Zaragoza: Institución Fernando el Católico, 41-62.
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Wawor, Gerhard / Heydenreich, Titus (Hgg.) (1995): Columbus 1892/1992. Heldenverehrung und Heldenmontage. Frankfurt a.M.: Vervuert.
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Zillmer, Hans-Joachim (2009): Kolumbus kam als Letzter: als Grönland noch grün war: wie Kelten und Wikinger Amerika besiedelten; Fakten, Funde, neue Theorien. 2.Auflage. München: Langen Müller.
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