Pressemitteilung vom 23.05.2000
Bundestagsvizepräsident Seiters lobt Chemnitzer Uni
Bundestagsvizepräsident Seiters lobt Chemnitzer UniWiederverwertungsverfahren für Altgummi "beispielgebend und ermutigend"
Der Bundestagsvizepräsident Rudolf Seiters hat gestern im Berliner Reichstag die XI. Interparlamentarische EUREKA-Konferenz eröffnet. Dabei würdigte er die Chemnitzer Uni als "beispielgebend und ermutigend". EUREKA (European Research Coordination Agency, Agentur für europäische Forschungskoordination) ist eine Initiative von 26 europäischen Ländern, der neben den EU-Staaten auch noch Island, Litauen, Norwegen, Polen, Rumänien, Russland, die Schweiz, Slowenien, Tschechien, die Türkei und Ungarn angehören. Mit der Initiative sollen grenzüberschreitende Forschung und Entwicklung gefördert werden. Ein weiteres Ziel ist es, die Zusammenarbeit zwischen Forschungseinrichtungen und der Industrie zu vertiefen. An der heute zu Ende gehenden Konferenz nehmen rund 120 Abgeordnete aus den nationalen Parlamenten der Mitgliedsstaaten und aus dem Europaparlament teil.
Bei der Eröffnung griff Seiters aus den zur Zeit mehr als 700 Eureka-Projekten drei als besonders gelungen heraus: ein Projekt zur Wiederverwertung von Altgummi, an dem Forscher der Chemnitzer Uni beteiligt sind, ein Projekt aus der Schweißtechnik mit Partnern aus Estland, Rumänien, Großbritannien, den Niederlanden, Portugal, Schweden und Spanien, und ein weiteres Projekt, in dem Unternehmen und Forschungsinstitute aus Ungarn, Schweden, der Schweiz und Deutschland neue Techniken zur Herstellung von Waschmaschinen entwickeln. Auch bei diesem Projekt spielt der Wiederverwertungsgedanke eine große Rolle.
Allein in Deutschland fallen Jahr für Jahr rund 600.000 Tonnen Altreifen an, dazu kommen noch einmal 420.000 Tonnen sonstige Gummiabfälle. Und die landeten in der Vergangenheit oft genug auf der nächsten Deponie oder wurden einfach verbrannt. Schon seit langem suchte man verzweifelt nach Möglichkeiten der Wiederverwertung. Doch die ist schwierig: Zwar ist Naturgummi wenig haltbar und wird leicht brüchig. Als man aber im 19. Jahrhundert lernte, den Gummi zu vulkanisieren - dabei werden die langen Kettenmoleküle des Rohkautschuks miteinander vernetzt - wurde das anders. Nun erst waren so elastische und nützliche Dinge wie Autoreifen oder Kondome möglich.
Doch einmal vernetzter Kautschuk lässt sich nicht wieder durch Zufuhr von Wärme formbar machen und deshalb nicht mehr zu neuen Produkten verarbeiten - Reifen wie Kondome lassen sich nur einmal verwenden. Bisher musste man sich notgedrungen damit zufrieden geben, den Gummi zu zerkleinern und dann das entstandene Gummimehl als Füllstoff anderen Materialien, etwa beim Straßenbau, unterzumischen.
Hier setzt das Eureka-Projekt "Tamarrec" (Tailor Made Rubber Recycling, etwa: Maßgeschneiderte Gummiwiederverwertung) an, an dem außer der Chemnitzer Uni noch die niederländische Firma Vredestein Rubber Recycling, die Hamburger Phoenix AG, das Deutsche Institut für Kautschuktechnik in Hannover sowie weitere Partner aus England und Luxemburg beteiligt sind. Die wichtigste Idee kam dabei von den Chemnitzer Forschern Prof. Günter Mennig, Dr. Hannes Michael und Dipl.-Ing. Henrik Scholz - sie fanden ein Netzmittel, mit dem sich das Gummimehl oberflächlich so aktivieren lässt, dass es sich mit einem ebenfalls wiederaufbereiteten Kunststoff verbinden kann. Gerade diese Eigenschaft geht nämlich bei einer Vulkanisation verloren. Dabei entsteht ein völlig neuer Werkstoff, der sich immer wieder aufschmelzen, spritzgießen und wiederverwerten lässt und der zudem über eine hohe Zugfestigkeit und ein gutes Dehnungsverhalten verfügt.
Wahrscheinlich noch in diesem Jahr wird in Mecklenburg-Vorpommern die erste Produktionsanlage für den neuen Werkstoff aus Altgummi entstehen, und auch das Ausland zeigt schon Interesse: In Thailand - mit Abstand größte Erzeuger von Naturkautschuk - und in Vietnam gehen die Chemnitzer Forscher mittlerweile ein und aus. Dort untersuchen einheimische Wissenschaftler zur Zeit, ob der neue Chemnitzer Werkstoff auch unter tropischen Bedingungen seine Eigenschaften beibehält.
Finanziert hat den Chemnitzer Teil des Projekts übrigens das Bundesforschungsministerium auf dem Umweg über das Umweltbundesamt - die 1985 gegründete EUREKA-Initiative selbst gibt kein Geld für Forschungsvorhaben. Immerhin sorgt der EUREKA-Status aber dafür, dass nationale Mittel fließen. Dass die Eureka-Konferenz in Berlin stattfindet, hat übrigens einen simplen Grund - Deutschland hat zur Zeit bis Ende Juni den Vorsitz bei Eureka inne. Bereits am 23. Juni treffen sich die Forschungsminister der beteiligten Länder auf der EXPO 2000 in Hannover, um das neue Vorsitzland zu bestimmen.
(Autor: Hubert J. Gieß)
Weitere Informationen: Technische Universität Chemnitz, Fakultät für Maschinenbau und Verfahrenstechnik, Institut für Allgemeinen Maschinenbau und Kunststofftechnik, Reichenhainer Straße 70, 09107 Chemnitz, Prof. Dr. Günter Mennig, Telefon (03 71)5 31-23 83, Fax (03 71)5 31-37 76, E-Mail: guenter.mennig@mb3.tu-chemnitz.de , Dr. Hannes Michael, Tel. (03 71)5 31-23 82, E-Mail: hannes.michael@mb3.tu-chemnitz.de