Pressemitteilung vom 10.10.2000
Ein Kraftpaket zum Flohmarktpreis
Computer / InformatikEin Kraftpaket zum Flohmarktpreis
Europas schnellster Selbstbau-Computer geht morgen offiziell in Betrieb
Am morgigen Mittwoch um elf Uhr geht er offiziell in Betrieb: der Chemnitzer Linux Cluster (CLiC), der leistungsfähigste Rechner in den neuen Bundesländern und einer der schnellsten Deutschlands und Europas. Das Besondere daran: Die Chemnitzer Forscher haben den Rechner selbst entworfen und aus handelsüblichen Teilen gebaut, wie sie in jedem Computershop zu haben sind. Schon seit Juli ist der Rechner aufgebaut. Seitdem wurde er intensiven Tests unterzogen und musste Hunderte von Millionen Gleichungen lösen, um seine zuvor nur berechnete Leistungsfähigkeit auch in der Praxis unter Beweis zu stellen. Zu der Feierstunde und den Vorführungen morgen laden wir Sie hiermit herzlich ein. Bitte melden Sie sich dazu bei uns in der Pressestelle oder bei Frau Jutta Flemming an , Tel. (03 71)5 31-15 51, E-Mail urz@tu-chemnitz.de.
Er ist einer der schnellsten Rechner Deutschlands und Europas - und der leistungsstärkste in den neuen Bundesländern sowieso: der neue Chemnitzer Supercomputer CLiC (die Abkürzung steht für Chemnitzer Linux Cluster). Das alles wäre noch nicht besonderes, denn starke Rechner gibt es viele auf der Welt. Was den CLiC so einzigartig macht: Die Informatiker der Chemnitzer Uni haben ihn selbst entworfen und gebaut, aus herkömmlichen Teilen "von der Stange". Dadurch kostete er nur etwa ein Fünftel der Summe, die ein ebenso leistungsfähiger Computer eines kommerziellen Großrechnerherstellers kosten würde - zweieinhalb Millionen statt zwölf bis fünfzehn Millionen Mark. Das Betriebssystem war sogar völlig umsonst - CLiC läuft unter dem frei erhältlichen Linux, das unter Experten als wesentlich besser und absturzsicherer Gilt als das herkömmliche Windows NT.
Das Herz des Selbstbau-Rechners besteht aus 528 ganz gewöhnlichen Pentium-III-Prozessoren, die mit 800 Megahertz getaktet sind - Prozessoren, wie sie auch in den neuesten Computern aus dem nächsten Supermarkt enthalten sind. Die freilich sind beim CLiC auf intelligente Art miteinander verdrahtet und bilden so einen Parallelcomputer. Der Vorteil von Parallelcomputern: Sie sind wesentlich leistungsfähiger, weil sie ein Problem in zahlreiche Einzelschritte aufteilen, die sie nicht nacheinander, sondern gleichzeitig abarbeiten. Und auch die Speicher des Rechenriesen können sich sehen lassen - in den Direktzugriffsspeicher (RAM) lassen sich 264 Gigabyte an Daten laden, die Festplatten fassen mehr als zehn Terabyte (zehn Trillionen Byte, eine Zahl mit 13 Nullen) - genug, um die Texte aller Bücher sämtlicher sächsischer Unibibliotheken aufzunehmen. Und rasend schnell ist der Rechner ebenfalls: in einer einzigen Sekunde kann er mehr als 100 Milliarden Berechnungen durchführen.
Seit Ende Juli steht der CLiC bereits in einem klimatisierten Keller im Rechenzentrum der Chemnitzer Uni. Eine ausgefeilte Kühlung ist auch dringend nötig, entwickelt das Kraftpaket beim Betreib doch genug Wärme, dass damit ein komplettes Einfamilienhaus bequem auch durch einen strengen Winter käme. Doch bevor der Supercomputer in Betrieb gehen konnte, wurde er in den vergangenen Wochen von den Chemnitzer Informatik-Fachleuten auf Herz und Nieren gestestet. Hunderte von Millionen sogenannte "partielle Differentialgleichungen" musste er dazu lösen - auch für einen Rechner wie den CLiC Schwerstarbeit. Ergebnis der umfangreichen Prüfungen: Der Rechner hat die Erwartungen nicht nur erfüllt, er hat sie sogar noch übertroffen. Am Mittwoch, dem 11. Oktober 2000 um 11 Uhr wird der Großrechner jetzt auch offiziell in Betrieb genommen. Dann stellt das Uni-Rechenzentrum (URZ) den Computer im Hauptgebäude der Chemnitzer Uni an der Straße der Nationen 62 im Hörsaal 219 vor. Wie die Chemnitzer Informatik-Experten überhaupt auf die Idee kamen, ein solch gigantisches Projekt in Angriff zu nehmen, erläutert URZ-Leiter Prof. Uwe Hübner. Wie so oft, lag es auch hier am Geld - das freilich ersetzen die Chemnitzer Wissenschaftler durch den hier reichlich vorhandenen Grips. Danach wird Prof. Hans Werner Meuer sprechen, Leiter des Rechenzentrums der Uni Mannheim und eine Ikone in der Welt der Großrechner. Er war es nämlich, der 1986 die Idee hatte, eine Liste der in der ganzen Welt installierten Supercomputer zu veröffentlichen. Seit 1993 stellt Prof. Meuer gemeinsam mit der University of Tennessee im amerikanischen Knoxville zweimal im Jahr eine Liste der 500 weltstärksten Computer zusammen, die auch im Internet zu finden ist (http://www.top500.org/).Um den Rang festzustellen, wurde eigens der "Linpack Benchmark Test" entwickelt. Dabei müssen die Computer eine Reihe von Gleichungen aus der Linearen Algebra lösen. Die nächste Liste wird auf der Tagung "Supercomputer 2000" vom 4. bis 10. November 2000 im texanischen Dallas veröffentlicht. Und da hoffen die Chemnitzer, auf einen Platz irgendwo zwischen Nr. 100 und 200 zu kommen, möglicherweise um 120 herum - ein Superplatz für einen Selbstbaurechner, nur ein einziger selbst gebauter Computer, der CPlant vom Sandia National Laboratory in den USA, ist noch schneller. Aber auch unter den kommerziellen Rechnern braucht sich CLiC nicht zu verstecken: Unter allen in Deutschland aufgestellten Rechnern kann er mit Platz 15 oder 16 rechnen, in Europa käme er vermutlich unter die Top 50. Und der leistungsstärkste Rechner in den neuen Bundesländern wäre er ohnehin.
Gegen 13 Uhr gibt es dann einen kleinen Imbiss, und danach geht's zur Praxis in den Rechnerraum im Keller. Dort wird der Rechner dann zeigen, was er wirklich kann: Strömungen dreidimensional und in Echtzeit berechnen, die Struktur der Zustandsräume physikalischer Systeme analysieren und ähnliches mehr - ungeheuer aufwendige und schwierige Aufgaben, die bei der Lösung wissenschaftlicher Probleme helfen. Chemnitz hat sich auf diesem gebiet schon in der Vergangenheit bundesweit einen Namen gemacht - die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat an der Uni bereits vor Jahren den Sonderforschungsbereich 393 "Numerische Simulation auf massiv parallelen Rechnern" angesiedelt.
Weitere Informationen: Technische Universität Chemnitz, Universitätsrechenzentrum, Facharbeitsgruppe Anwendungen, Straße der Nationen 62, 09107 Chemnitz, Dr. Wolfgang Riedel, Telefon (03 71)5 31-14 22, E-Mail: wolfgang.riedel@hrz.tu-chemnitz.de oder Dipl.-Inform. Mike Becher, Telefon (03 71)5 31-17 25, E-Mail: mike.becher@hrz.tu-chemnitz.de und unter http://www.tu-chemnitz.de/tu/presse/2000/07.26-07.15.html sowie unter http://www.tu-chemnitz.de/urz/anwendungen/CLIC/