Pressemitteilung vom 20.12.2002
Wenn "Räuchermännchen" zu "Smoker" werden
Runaways sind ein beliebtes Sprachspiel im Englisch- Unterricht: Deutsche Sprichwörter oder Vokabeln werden wortwörtlich ins Englische übersetzt - wenn dann aus dem "Spielmannszug" ein "playboy-train" geworden ist oder aus dem "Morgenland" das "tomorrow-country", denkt sich der Muttersprachler vermutlich: "I understand only railroad-station". Und wie könnte man "Erzgebirge" übersetzen? Gunnar Lahr hat Antworten auf diese Frage gefunden. Im Rahmen seiner Magisterarbeit im Fach Englische Sprachwissenschaft untersuchte der 28-jährige Absolvent der TU Chemnitz Broschüren, mit denen das Erzgebirge um englischsprachige Touristen wirbt: Darin wurde mit dem Begriff "Erzgebirge" als Ortsname in drei verschiedenen Weisen umgegangen: Zum einen wurde es übersetzt in "Ore mountains"; zum Zweiten blieb es im englischen Text auf Deutsch erhalten; die dritte - und nach Lahrs Einschätzung überzeugendste - Variante war die erklärende Übersetzung: Hier wird die Ortsbezeichnung "Erzgebirge" aus seiner geschichtlichen Entstehung heraus erklärt und dann in "Ore mountains" übertragen.
Doch ging es Lahr nicht nur um das Problem des Übersetzens von Ortsbezeichnungen. Statt dessen untersuchte er, wie die Werbebroschüren insgesamt auf die potenziellen Englisch sprechenden Touristen zugeschnitten sind. Das Ganze hat einen durchaus relevanten Hintergrund: "Der Tourismusmarkt hat sich seit 1990 erheblich verschärft, was auch im Erzgebirge nicht ohne Folgen blieb. Für diese relativ junge Tourismusregion ging dies mit sinkenden Besucherzahlen besonders aus dem englischsprachigen Raum einher", beschreibt Lahr die Motive seiner Arbeit. Zwischen 1992 und dem Jahr 2000 sei ein Rückgang um 90 Prozent zu verzeichnen gewesen. Wurden laut Aufzeichnungen des Statistischen Landesamtes Kamenz vor zehn Jahren noch 28.744 Gäste mit 52.000 Übernachtungen gezählt, so waren es im Jahr 2000 lediglich noch 2.224 Gäste, die im Durchschnitt nur 2,6 Tage im Erzgebirge blieben. Und auch wenn Lahr diesen Rückgang nicht nur mit mangelnder Werbetätigkeit der Fremdenverkehrsbüros erklären möchte - Grund genug sah er doch für seine Untersuchung.
Das Hauptproblem der Broschüren erkennt Lahr in den Entstehungsbedingungen der Broschüren und Faltblätter: Zumeist werden bereits vorliegende deutschsprachige Werbeartikel wörtlich ins Englische übersetzt. Dabei finden jedoch kulturelle Unterschiede der anvisierten Leser zu wenig Beachtung: So weiß zum Beispiel ein Deutscher einigermaßen sicher, wo das Erzgebirge zu finden ist, bei einem Amerikaner könne man von solch einem Wissen aber nicht ausgehen. Auch Bräuche und Gegenstände, die das Erzgebirge zu etwas Einzigartigem machen, vom Schwibbogen über das Räuchermännchen bis hin zum Bergmannsgruß "Glück auf!", müssten einem Engländer näher, vielleicht auch einfach nur im Bild erklärt werden als dies in den Broschüren der Fall sei. Das Hauptproblem jedoch: "Insgesamt fehlt eine einheitliche Vermarktungsstrategie für den englischsprachigen Raum", erkennt Lahr: Es mangelt an einem allen Werbematerialien gemeinsamen Logo, an einem einprägsamen und englischen Slogan.
Lahr beschränkt sich in seiner Magisterarbeit jedoch
nicht nur auf Kritik, er macht auch
Verbesserungsvorschläge. Zum Beispiel legt er
Textbausteine vor, die auf Englisch die Fragen klären
könnten: "Wo befindet sich das Erzgebirge und wie
gelange ich dorthin?" Insgesamt fordert die Produktion
von Tourismusbroschüren in einer fremden Sprache -
so Lahr - "mehr als bloße Übersetzungsarbeit.
Kulturelle, journalistische und gestalterische Fähigkeiten
sind mindestens ebenso wichtig."