Pressemitteilung vom 03.12.2024
„ERC Consolidator Grant“ für die TU Chemnitz: Chemiker erhält eine der renommiertesten EU-Förderungen für Spitzenforschung
Prof. Dr. Robert Kretschmer von der TU Chemnitz will chemische Prozesse schneller und selektiver machen - dafür erhält er rund zwei Millionen Euro
In der aktuellen Vergaberunde für die prestigeträchtigen „ERC Consolidator Grants“ des European Research Council (ERC) ist Prof. Dr. Robert Kretschmer, Inhaber der Professur für Anorganische Chemie am Institut für Chemie der Technischen Universität Chemnitz, erfolgreich gewesen. Für sein Forschungsvorhaben „AGILE: Bis(carbene) Analogues of Aluminium and Gallium as Building Blocks for Highly Selective Reagents and Next Generation Catalysts“ erhält er in den nächsten fünf Jahren rund zwei Millionen Euro. Mit diesem überragenden Erfolg gehört das von Kretschmer beantragte Forschungsvorhaben zu den lediglich 328 zur Förderung bewilligten aus 2.313 Anträgen, von denen 67 auf Deutschland entfallen. Mit der Bewilligung wurde – nach dem Erfolg der Chemnitzer Elektrochemikerin Prof. Dr. Karin Leistner im vergangenen Jahr – bereits der zweite „ERC Consolidator Grant“ und damit eine der renommiertesten EU-Förderungen für exzellente Spitzenforschung an der TU Chemnitz eingeworben. Durch die Forschungsarbeit auf dem Gebiet der „zweihändigen“ Moleküle möchte Kretschmer wichtige Grundlagen und innovative Lösungsansätze für nachhaltige Synthesen und die Katalyse ohne Edelmetalle entwickeln, die viele Bereiche der chemischen und pharmazeutischen Industrie revolutionieren könnten. Kretschmer ist ein international führender Experte auf dem Gebiet der anorganischen Molekülchemie und gestaltet das Feld der bimetallischen Komplexe seit zehn Jahren sehr aktiv mit.
„Wir freuen uns ganz besonders darüber, dass nun der zweite ERC Consolidator Grant an die TU Chemnitz geholt werden konnte. Ich gratuliere Herrn Kollegen Kretschmer ganz herzlich zu diesem außerordentlichen Erfolg im Rahmen eines sehr herausfordernden Wettbewerbs und bin gespannt auf die Ergebnisse seiner ökologisch wie ökonomisch hoch relevanten Forschungsarbeiten“, sagt Prof. Dr. Uwe Götze, Vertreter des Rektors und Prorektor für Transfer und Weiterbildung der TU Chemnitz.
Zweihändige Moleküle ebnen Weg zu selektiven chemischen Prozessen und energieeffizienten Katalysen
„Die synthetische Molekülchemie gehört zu den ökologisch und ökonomisch bedeutendsten Technologien unserer Gesellschaft und ermöglicht einen effizienten Zugang zu komplexen molekularen Strukturen, die aus unserem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken sind“, sagt Kretschmer. Ihr komme somit eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu. Eine rasche Umstellung der chemischen und pharmazeutischen Industrie von fossilen auf alternative und erneuerbare Rohstoffe sowie die Substitution seltener und teurer Edelmetalle durch günstigere, in Europa verfügbare Metalle sei dringend erforderlich. „Die Entwicklung neuer Konzepte, sowohl für chemische Reaktionen als auch für katalytische Prozesse, ist daher von großer Bedeutung“, so der Chemnitzer Chemiker.
Die klassische Synthesechemie basiert weitestgehend auf dem Einsatz von Verbindungen, die nur ein Metallatom enthalten, das die Reaktion ermöglicht bzw. beschleunigt. „Übertragen auf den Alltag könnte man diese Moleküle auch als einhändig beschreiben. Wer schon einmal eine verletzte Hand hatte, weiß, wie viel langsamer und eingeschränkter wir sind, zum Beispiel wenn wir eine Flasche oder ein Glas aufmachen möchten. Es ist daher ein vielversprechender Ansatz, Moleküle zu entwickeln, die ebenfalls zwei Hände – also zwei aktive Metallzentren – haben und somit Reaktionen ermöglichen, die mit einhändigen Molekülen gar nicht oder nur sehr schwer realisiert werden können“, erklärt Kretschmer.
Dem Vorbild der Natur folgend mit einem Fokus auf Aluminium und Gallium
Die Natur nutzt zum Beispiel in Enzymen mehrkernige Übergangsmetallkomplexe, um Prozesse, so auch im menschlichen Körper, zu ermöglichen. Dafür sind aber komplexe Strukturen notwendig. Eine Nachahmung enzymatischer Prozesse liegt bereits seit Jahrzehnten im Fokus vieler Forscherinnen und Forscher. „Wir gehen an der TU Chemnitz mit unserer Forschung einen neuen Weg, in dem wir auf komplexe Strukturen verzichten und unseren Fokus auf Aluminium und Gallium legen. Insbesondere die Nutzung von Aluminium ist höchst attraktiv: Es ist das häufigste Metall der Erdkruste, es kommt in nahezu allen Erdteilen vor, es ist günstig und ungiftig“, sagt Kretschmer.
Erzwungene Wechselwirkungen zwischen den Metallen können perspektivisch neue chemische Reaktionen ermöglichen
„Die Frage, wie wir günstige Metalle für edle Aufgaben nutzen können, treibt mich schon lange um. Ich freue mich daher außerordentlich, dass ich dieses Vorhaben nun mit dem ERC Consolidator Grant an der TU Chemnitz verwirklichen kann. Ich bin mir sicher, dass sich durch das Erzwingen ungewöhnlicher Interaktionen zwischen den beiden Metallatomen völlig neue chemische Reaktionen ermöglichen können. Davon können viele Bereiche wie die Synthese- und Materialchemie sowie die Katalyse profitieren“, blickt Kretschmer in die Zukunft.
Hintergrund: ERC Consolidator Grant 2024
Der European Research Council (ERC) schrieb im Jahr 2024 erneut den „ERC Consolidator Grant“ im Rahmen des Programms „Horizon Europe“ aus. Damit werden exzellente Forscherinnen und Forscher in einem noch frühen oder mittleren Karrierestadium bei der Festigung ihrer wissenschaftlichen Unabhängigkeit unterstützt. Dies erfolgt oftmals durch den Ausbau der eigenen Forschungsgruppe. „ERC Consolidator Grant“-Ausschreibungen sind für alle Themen und Disziplinen offen. Die Förderung bescheinigt den Geförderten die Exzellenz ihres Vorhabens und ist ein Ausweis dafür, dass sie zu den Besten ihres Faches gehören.
Zur Person: Prof. Dr. Robert Kretschmer
Robert Kretschmer wurde im brandenburgischen Zossen geboren und absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Chemielaboranten. Nach sechs Jahren in der Industrie erwarb er die Hochschulzugangsberechtigung und studierte Chemie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er promovierte an der TU Berlin und forschte anschließend an der University of California in San Diego. 2014 baute er seine eigene Arbeitsgruppe an der Universität Regensburg auf. Er folgte 2019 einem Ruf auf eine Juniorprofessor (mit Tenure Track) für Anorganische Chemie der Katalyse an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und nahm 2022 den Ruf auf die W3-Professur Anorganische Chemie an der TU Chemnitz an, wo er und seine Arbeitsgruppe zu neuen mono- und bimetallischen Verbindungen forschen. Neben seiner wissenschaftlichen Expertise engagiert sich Robert Kretschmer auch sehr aktiv in der Wissenschaftspolitik unter anderem als Mitglied und Sprecher zweier Arbeitsgruppen der Jungen Akademie (von 2017 bis 2022) an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
Weitere Informationen erteilt Prof. Dr. Robert Kretschmer, Professur Anorganische Chemie, Telefon +49 (0)371 531-39173, E-Mail robert.kretschmer@….
Wichtiger Hinweis für die Medien: Zu dieser Meldung stellen wir Ihnen zwei themenbezogene Fotos zur Verfügung:
Motov 1: Prof. Dr. Robert Kretschmer ist Inhaber der Professur für Anorganische Chemie am Institut für Chemie der TU Chemnitz. Foto: Jacob Müller
Download: https://www.bilder.tu-chemnitz.de/?r=1336&k=0062b2bb2c
Motiv 2: Faszinierende „zweihändige Moleküle“ im Modell: Prof. Dr. Robert Kretschmer, Inhaber der Professur für Anorganische Chemie an der TU Chemnitz, will Moleküle entwickeln, die zwei aktive Metallzentren haben und somit Reaktionen ermöglichen, die mit „einhändigen Molekülen“ gar nicht oder nur sehr schwer realisiert werden können. Foto: Jacob Müller
Download: https://www.bilder.tu-chemnitz.de/?r=1339&k=7d728668c8