Mathematische Premiere in Ecuador
Hermann Mena hat als erster Mathematiker an einer ecuadorianischen Universität promoviert - sein Betreuer war Prof. Dr. Peter Benner von der Chemnitzer Professur Mathematik in Industrie und Technik
Mit komplizierten Formeln kennt er sich aus: Hermann Mena trägt den ersten Doktortitel der Mathematik, der in Ecuador verliehen wurde. Foto: Christine Kornack |
Eine Note hat er für seine Doktorarbeit nicht bekommen, lediglich das Prädikat "bestanden". Trotzdem kann sich Hermann Mena sicher sein, dass er die bisher beste Promotion eines Mathematikers in Ecuador hingelegt hat - schließlich war er der erste überhaupt, der in diesem Fach in dem südamerikanischen Land seinen Doktor erhalten hat. In seiner Promotion ging es - sehr vereinfacht gesagt - um eine Klasse von Differentialgleichungen, die besonders bei der optimalen Steuerung komplexer dynamischer Prozesse eine Rolle spielen. Betreut wurde Mena von Prof. Dr. Peter Benner, Inhaber der Professur Mathematik in Industrie und Technik der TU Chemnitz. Möglich wurde das durch ein Projekt, das 2002 von Mathematikern der Technischen Universität in Berlin angestoßen wurde. Benner war zu dieser Zeit Privatdozent an der Berliner Uni. "Ein Ziel des Projektes war es, die Fakultät für Mathematik an der Escuela Politecnica Nacional in Quito zu stärken, indem talentierte Absolventen die Möglichkeit bekommen, sich bei einer Promotion weiter zu qualifizieren, und dann als Mitarbeiter übernommen werden", erklärt Benner.
"Die meisten Professoren in Ecuador haben keinen Doktortitel. Manche haben im Ausland promoviert, vor allem Frankreich war in der Vergangenheit ein beliebtes Land. In Ecuador haben Wissenschaft und Forschung keinen so hohen Stellenwert", erzählt Dr. Hermann Mena. Um das zu ändern und so das wissenschaftliche Niveau in der ecuadorianischen Mathematik zu erhöhen, haben sich einige deutsche Professoren an der Escuela Politecnica Nacional (EPN) engagiert. Die EPN in Ecuadors Hauptstadt Quito ist die wichtigste Forschungsuniversität in den technischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen des Landes. Während jeweils zweiwöchiger Intensivkurse wurden die qualifizierten Mathematik-Absolventen der Uni in Quito an die Forschungsschwerpunkte herangeführt. Basierend darauf haben sich die angehenden Doktoranden dann einen thematisch passenden Betreuer für ihre Doktorarbeit ausgesucht. Insgesamt sieben junge Mathematiker sind in das Projekt integriert, allerdings ist es nicht mehr die Anfangsbesetzung. Einige Bewerber mussten das Projekt verlassen, dafür kamen andere hinzu, sodass die Zahl konstant geblieben ist. Gefördert wurde das Projekt von Dezember 2002 bis Dezember 2006 vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD).
Der DAAD bezahlte vor allem die mehrmaligen Besuche der Doktoranden bei ihren Betreuern in Deutschland. Mena war in jedem Jahr für zwei oder drei Monate in Chemnitz. Die übrige Zeit hat er an der Universität in Quito gearbeitet, wo er jedoch keinen Ansprechpartner hatte, der ihm in fachlichen Fragen weiterhelfen konnte. Außerdem war seine Doktorarbeit hier eher Nebensache: "Es war gut, dass ich mehrmals eine längere Zeit nach Chemnitz kommen konnte. Zu Hause in Quito bin ich kaum zu meiner Promotion gekommen, weil ich sehr viel unterrichten musste. Hier in Deutschland konnte ich dann konzentriert arbeiten und dadurch einiges wieder aufholen", erzählt Dr. Mena. Zwei- bis dreimal mehr als ein deutscher Doktorand müssen die ecuadorianischen Doktoranden unterrichten. Zeit, die ihnen zum zielstrebigen Vorantreiben ihrer Promotion fehlt.
Hermann Mena ist der erste Projektteilnehmer, der seine Doktorarbeit beendet hat. Dabei war von ihm neben dem fachlichen Können auch Durchsetzungskraft, Geduld und Flexibilität gefragt, um die bürokratischen Hürden der Promotion zu nehmen. Das bedeutet aber nicht, dass es zu viel Bürokratie gibt, sondern eher zu wenig: In Ecuador gibt es noch keine Promotionsordnung, keine Regeln, keine Erfahrungen - Neuland nicht nur für den Doktoranden, sondern auch für die Prüfer. Zwei Wochen vor der Verteidigung seiner Doktorarbeit ist Mena nach Ecuador geflogen; bis zum letzten Moment hat er um Unterschriften gekämpft. "In der Mathematik war ich der erste Doktorand, aber auch in anderen Fächern, wie Physik und Chemie, gab es im ganzen Land bisher nur ein oder zwei Promotionen", berichtet er.
"Ich würde gerne zurück an die Uni nach Quito gehen und habe dort auch eigentlich einen Job in Aussicht. Aber hundertprozentig sicher ist das noch nicht", blickt Mena in die Zukunft. Seit Beginn des Promotionsprojektes hat in Ecuador die Regierung gewechselt, die Unileitung ist nicht mehr dieselbe, anfängliche Ideen des Projektes stehen nicht mehr unter den selben Sternen. Keine Seltenheit in einem Land wie Ecuador, die letzten Regierungen haben sich alle nicht lange gehalten, die Wissenschaft hatte es deshalb schon immer schwer. Dr. Mena wirkt gelassen. Bis Januar 2008 wird er erstmal in Chemnitz bleiben. An der Professur Mathematik in Industrie und Technik konnte er unproblematisch eine Schwangerschaftsvertretung übernehmen für eine andere Doktorandin, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird und zu einem ähnlichen Thema forscht wie er.
Weitere Informationen erteilen Dr. Hermann Mena, Telefon 0371 531-36726, E-Mail hermann.mena@mathematik.tu-chemnitz.de, und Prof. Dr. Peter Benner, Telefon 0371 531-38367, E-Mail peter.benner@mathematik.tu-chemnitz.de.
Katharina Thehos
20.09.2007