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Vom sächsischen Handwerk zur Industrie – eine neue Betrachtung

Historiker der TU Chemnitz wirken an Ausstellung „Zwischen Zunft und Fabrik. Zur regionalen Gewerbegeschichte von 1763 bis 1799“ und Katalog zur Chemnitzer Wirtschaftsgeschichte im 18. Jahrhundert mit

Bis heute wird der Beginn der Industrialisierung Sachsen immer wieder mit der Gründung der Bernhardschen Spinnerei im Jahr 1799 in Harthau (heute Stadtteil von Chemnitz) in Verbindung gebracht. In diesem Jahr hatten dort die Brüder Carl Friedrich und Ludwig Bernhard gemeinsam mit dem Chemnitzer Kaufmann Johann August von Bugenhagen die erste mit englischen Spinnmaschinen ausgestattete Maschinenspinnerei im Kurfürstentum Sachsen errichtet und sich dazu 1802 die Hilfe des englischen Maschinenbautechnikers Evan Evans gesichert. Dabei entsteht häufig der Eindruck, die (Früh-)Industrialisierung, zunächst des Chemnitzer Raumes, dann Sachsens sei aus dem Nichts entstanden und stelle seit 1799 eine bruchlose Erfolgsgeschichte dar, die Chemnitz und Sachsen innerhalb von etwa 100 Jahren in die Spitzengruppe der industriellen Ballungsräume Europas katapultierte.  

Mit der Frage nach den Hintergründen der Entstehung frühindustrieller Strukturen im Chemnitzer Raum und insbesondere nach der Vorgeschichte des Jahres 1799 setzte sich im Oktober 2023 das wissenschaftliche Kolloquium „Zwischen Zunft und Fabrik. Zur regionalen Gewerbegeschichte von 1763 bis 1799“ am Schloßbergmuseum Chemnitz, dem Museum für die Geschichte der Stadt Chemnitz, im Rahmen eines neuen Epochenprojekts auseinander. Auch bei diesem Epochenprojekt fungierte die Professur Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts (Leitung: Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll) der Technischen Universität Chemnitz erneut als Kooperationspartnerin. In dem seit nunmehr nahezu 20 Jahren laufenden Arbeitszyklus der Epochenprojekte des Chemnitzer Schloßbergmuseums werden regionale bzw. lokale Entwicklungen vor dem Hintergrund herausragender Ereignisse der sächsischen, deutschen und europäischen Geschichte beleuchtet. Eröffnet werden diese Projekte durch wissenschaftliche Kolloquien, an das sich große Ausstellungen anschließen zu denen reich bebilderte Kataloge vorgelegt werden, die an die Ergebnisse der wissenschaftlichen Kolloquien anknüpfen.

Zu dem nunmehr erschienenen, die aktuelle Ausstellung „Zwischen Zunft und Fabrik. Zur regionalen Gewerbegeschichte von 1763 bis 1799“ ergänzenden und von Uwe Fiedler, Stefan Thiele, Hendrik Thoß und Florence Thurmes herausgegebenen Katalog haben zwölf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beigetragen. Zu diesem Kreis zählen neben Stephan Luther, dem Leiter des Universitätsarchivs der TU Chemnitz, mit Michael Wetzel, Marian Bertz, Thomas Bauer sowie Ivonne und Klaus Reichmann und Hendrik Thoß gleich sechs Alumni bzw. Beschäftigte der TU Chemnitz, die hier den Studiengang „Europäische Geschichte“ studiert und im Anschluss weitere wissenschaftliche Qualifikationsarbeiten vorgelegt haben.

Stephan Luther hebt in seinem Beitrag die Genese und Bedeutung der Zeichenausbildung für die höhere gewerbliche Bildung in Chemnitz hervor. Ivonne und Klaus Reichmann präsentieren in ihrem Beitrag zum Buchgewerbe in Chemnitz ein nahezu vergessenes Kapitel der Chemnitzer Wirtschaftsgeschichte. Während der Beitrag von Thomas Bauer zu einer auf wissenschaftlichen Grundlagen basierenden gezielten Bewirtschaftung der sächsischen Wälder sowie zur Entstehung einer institutionalisierten Forstwirtschaft auf seiner Masterarbeit beruht, stehen die beiden Aufsätze von Michael Wetzel und Marian Bertz in direktem Zusammenhang zu Wetzels Habilitationsschrift über Graf Detlev von Einsiedel (1773-1861) bzw. zur Dissertation von Bertz zu Thomas von Fritsch (1700-1775). Alle drei erwähnten Arbeiten entstanden an der Professur Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts und tragen wie die übrigen Beiträge des Katalogs dazu bei, die bislang von der historischen Forschung zur Geschichte Sachsens gerade auch auf regionaler bzw. lokaler Ebene weniger beachteten Jahrzehnte vom Ende des Augusteischen Zeitalters 1763 bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts insbesondere unter wirtschaftshistorischem Blickwinkel neu zu betrachten. Dabei wird deutlich, dass der „Weg von der Handwerkerstube in die Fabrik“ hierzulande eher als ein sich über Jahrzehnte hinweg vollziehender evolutionärer Prozess und weniger als eine zeitlich verdichtete und von außen nach Sachsen getragene revolutionäre Zäsur zu sehen ist.

Der 180 Seiten starke, reich bebilderte Katalog zur Ausstellung „Zwischen Zunft und Fabrik. Zur regionalen Gewerbegeschichte von 1763 bis 1799“ ist im Dresdner Sandstein Verlag erschienen. Die Ausstellung ist noch bis zum 12. Januar 2025 geöffnet.

(Autor: Dr. Hendrik Thoß)

Mario Steinebach
18.12.2024

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