Mit Spiel und Spaß zum Mathe-Ass
Am 10. November 2008 eröffnen Grundschule Harthau und TU Chemnitz mit der "Mathe-Insel" eine neue mathematische Erlebniswelt
Ludwig Sontag, Urenkel Heinz Voderbergs und Zweitklässer an der Grundschule Harthau, beschäftigt sich gemeinsam mit Luise Schäller in der Mathe-Insel mit den Voderbergschen Neunecken. Foto: Christine Kornack |
Nach dem großen Erfolg der Wanderausstellung "Mathematik zum Anfassen", die bereits im Frühjahr 2008 in Chemnitz große und kleine Mathematiker und Laien zum Staunen und Ausprobieren anregte, war der Bedarf an weiteren mathematischen Experimentierstationen offensichtlich. Dieser Erkenntnis folgend rief die Chemnitzer Grundschule Harthau in Zusammenarbeit mit der TU Chemnitz das Projekt "Mathe-Insel" ins Leben. In einem zuvor wenig genutzten Raum der Grundschule können Kinder nun Mathematik auf spielerische Weise erleben und verstehen lernen.
Die Spiel- und Erlebniswelt der Mathe-Insel macht ihrem Namen alle Ehre, denn sie birgt sieben Schatzkisten mit allerhand Utensilien zum Experimentieren, Spielen nach Regeln und freien Ausprobieren. So können die Grundschüler beispielsweise die Rolle der Mathematik im täglichen Leben entdecken, ein Verständnis für Größen und Mengen entwickeln sowie Einblicke in Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung erhalten. Das Material dafür wurde von dem Preisgeld gekauft, welches das Projekt für seine erfolgreiche Teilnahme am bundesweiten Wettbewerb "Mathe erleben" erhalten hatte.
Unter den zahlreichen Spielen und Experimentiermöglichkeiten findet sich auch eine mathematische Sensation: die Voderbergschen Neunecke. Um die Bedeutung dieser sehr ungewöhnlich geformten Gebilde zu verstehen, die den Kindern in zweifarbiger Ausführung zum Legen von Mustern und Formen zur Verfügung stehen, ist ein Blick in die Geschichte nötig: In den Dreißiger Jahren arbeitete der Greifswalder Professor Karl Reinhardt an einem der in der mathematischen Welt berühmten Probleme von David Hilbert. Bei dieser Arbeit stieß er auf eine merkwürdige Frage: "Gibt es zwei kongruente, geradlinig begrenzte Pflastersteine, die ein Loch so umfassen, dass ein oder zwei weitere dazu kongruente Pflastersteine genau hineinpassen?" Wer sich in diese Formulierung hineinvertieft, hält das für unmöglich - so auch Reinhardt, der die Aufgabe in der Erwartung eines Beweises für seine Vermutung an seinen Studenten Heinz Voderberg weitergab. Zum allseitigen Erstaunen fand dieser jedoch tatsächlich ein Polygon, das die geforderten Kriterien erfüllte. Mit seinen Neunecken konnte Voderberg nicht nur Reinhardts Frage positiv beantworten, sondern es ergaben sich auch ganz neue Möglichkeiten der Parkettierung der Ebene. Im passenden Drehwinkel angeordnet, lassen sich mithilfe der Neunecke beeindruckende Figuren wie Doppelspiralen und Ovale zusammensetzen, die Ebenen lückenlos ausfüllen.
Mit seinen Entdeckungen ordnete sich Heinz Voderberg in die Reihe der großen Geometer ein. Doch der zweite Weltkrieg hinderte ihn daran, seine Forschungen fortzuführen. Er fiel in den letzten Kriegstagen. Voderbergs Tochter Linda widmete ihre Diplomarbeit dem Werk ihres im Krieg verstorbenen Vaters. Daher sind noch viele Originalunterlagen erhalten, welche ein spannendes Stück Mathematik-Geschichte dokumentieren, das für lange Zeit in Vergessenheit geraten war. Einige Nachfahren Heinz Voderbergs - ein Urenkel besucht die Grundschule Harthau - werden zur Eröffnung der Mathe-Insel am 10. November 2008, um 14 Uhr anwesend sein. Danach wird die Mathe-Insel neben den Harthauer Grundschülern auch als Exkursionsziel für Grundschulen und Schulanfänger aus umliegenden Kindergärten zur Verfügung stehen. Mathematik wird man im Chemnitzer Süden nun also ständig anfassen können.
Weitere Informationen erteilen Ralph Sontag, E-Mail sontag@mathematik.tu-chemnitz.de, und Ursula Richter, Schulleiterin der Grundschule Harthau, Telefon 0371 510078.
Homepage der Mathe-Insel: http://www.mathe-insel.de
(Autorin: Anett Michael)
Katharina Thehos
04.11.2008