"Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte"
Tagung "Geschichte studiert - und dann?" geht aufgrund großer Nachfrage im kommenden Jahr in eine zweite Runde
Die erste Tagung an der Technischen Universität Chemnitz am 15. Oktober 2011, die Perspektiven am Ende des Studiums der Geschichte zum Thema hatte, konnte sich einer breiten Resonanz sowohl bei den eingeladenen Referenten, als auch beim Publikum erfreuen. Organisiert von der Professur für Antike und Europa sowie der Fachgruppe "Historia Europae", bot die Veranstaltung ein breites Spektrum an Karrieremöglichkeiten eines Historikers.
Einleitende und zugleich auch für die Geschichtswissenschaft grundlegende Worte zur Tagung formulierte der Dekan der Philosophischen Fakultät, Prof. Dr. Christoph Fasbender: Ziel und Wesen des Studiums der Geschichte sei nicht hauptsächlich das Lernen, als vielmehr das Verstehen. Auch wenn berufliche Aussichten des Historikers dem geistigen Auge trüb und verschwommen erscheinen mögen, so sei das Studium dennoch "fruchtbar und weitumfassend". Er zitierte damit die Antrittsvorlesung von Friedrich Schiller, der vor 222 Jahren, am 26. Mai 1789, seinem Vortrag an der Universität Jena den Titel "Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte" gab.
Matthias Bittner, Bachelor-Student des Studiengangs Europäische Geschichte, zeichnete in seinem Referat die Grundzüge des Geschichtsstudiums an der TU Chemnitz nach und verdeutlichte den gesellschaftlichen Wandel, dem ein solcher Studiengang unterliegt. Mit der "Europakompetenz", die den Studierenden während ihrer Ausbildung vermittelt wird, werde der Fokus des Studiums verlegt vom "Nationalstaatendenken" hin zur Betrachtung der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen "gesamteuropäischen Entwicklung" von der Antike über das Mittelalter bis in die Neuzeit.
Dirk Schmerschneider, Leiter des Fahrzeugmuseums in Chemnitz, referierte über seine Erfahrungen in der Museumsarbeit. Während für Besucher eines Museums vor allem die Schlagworte Ausstellen und Vermitteln als Teil der Arbeit des Historikers bekannt sind, so nehme vor allem die für das Publikum unsichtbare Buchhaltung des Museums einen Großteil der Zeit in Anspruch. Natürlich ist es von Museum zu Museum verschieden, jedoch bleibt für die Forschung in einem kleinen Museum nur wenig Spielraum. Für Freunde der Restauration ist hingegen erfreulich, dass das Sammeln von Stücken sowie das Bewahren dieser fester Bestandteil der Museumsarbeit ist.
Doch auch außerhalb bekannter Berufsfelder für Historiker stehen den Studierenden einige Wege der Karriere offen, denn es gibt keine "Standardkarriere" als Geisteswissenschaftler; dies vermittelte Dr. Christian Genz, Leiter des Career Service, in seinem Vortrag "Berufsorientierung für Historiker". Zu Hilfe nahm er sich dabei die Biographien von 20 Berufstätigen, die Geschichte studiert hatten und heute - unter anderem - in Elektrotechnik-Unternehmen oder der Automobilindustrie mitunter an der Spitze von Firmen stehen. In jenen Bereichen können die Geschichtsstudenten nebst anderen Bewerbern durchaus glänzen, denn sorgfältige Recherche und Präsentation - Eigenschaften, die während des Studiums immer wieder geübt werden - sind gerade für die Öffentlichkeitsarbeit von Konzernen sehr attraktiv. Doch gerade als Quereinsteiger in die Wirtschaft ist es von großer Bedeutung, sich bei den Firmen bekannt zu machen.
Roman Hofmann, Master-Student des Studiengangs Europäischen Integration und Mitglied des Fachschaftsrats der Philosophischen Fakultät, wies in seinem Vortrag über die studentische Arbeit in Gremien auf wertvolle Kompetenzen hin, die man während des Studiums durch das gesellschaftliche Engagement entwickeln könne. Hier sei vor allem auf wichtige Faktoren wie Teamfähigkeit und gutes Zeitmanagement hingewiesen. Die Aneignung solcher Fähigkeiten sei gerade im Studium eine gute und vor allem noch kostenfreie Möglichkeit, um sich später im Berufsleben bekannt machen und sich neben vielen weiteren Bewerbern behaupten zu können.
An den Erwerb von bereits genannten wichtigen Fähigkeiten anknüpfend, sprach Prof. Dr. Volker Menze von der Central European University in Budapest über die Möglichkeiten und Erfahrungen, die sich mit einem Auslandsaufenthalt während des Studiums sammeln lassen. Über den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und diverse Stipendien, beispielsweise durch das ERASMUS-Programm, ließe sich ein solcher Aufenthalt schnell und relativ problemlos planen. Als wichtige Faktoren, um sich im Gastland wohl fühlen zu können, nannte der Referent Toleranz, Interesse für das Gastland, aber auch - und vor allem - Flexibilität. Menze brachte mithilfe seiner eigenen Erfahrungen als Student im Ausland zum Ausdruck, dass nicht alle Probleme vorhersehbar seien, man sich aber gerade davon nicht abschrecken lassen dürfe.
Patrick Pfeil, Doktorand an der Universität in Leipzig, bot mit seinem Vortrag über das Promotionsverfahren einen Einblick in die erste Stufe eines wissenschaftlich-akademischen Werdegangs. Die Promotion beginne mit der Themensuche, erstrecke sich über die Suche nach einem Betreuer, über die Frage nach der Finanzierung hin zur Abgabe der Dissertation, der Verteidigung und der Veröffentlichung der vollendeten Arbeit. Sein Hauptaugenmerk lag dabei auf der Finanzierungsfrage. Promovierenden lägen an dieser Stelle einige Möglichkeiten offen; beispielsweise ließe sich eine solche Arbeit mithilfe einer politischen, kirchlichen oder fachlichen Stiftung finanzieren. Dazu allerdings müsste der Bewerber mitunter gewisse Referenzen erbringen, die sich nicht nur über einen sehr guten Notendurchschnitt und kurze Studienzeit erklären. Je nach Stiftung seien die Referenzen jedoch unterschiedlich. Auch ließe sich die Promotion mithilfe der Arbeit als Wissenschaftliche Hilfskraft finanzieren, jedoch ist diese Möglichkeit aufgrund weniger Plätze bei gleichzeitig sehr vielen Bewerbern in Deutschland sehr begrenzt. Hinzu kommt dabei, dass durch die Arbeit als Hilfskraft die eigentliche Promotion mitunter in den Hintergrund rücken könne, doch sei dies vor allem eine Frage eines guten Zeitmanagements.
Sandra Scheuble-Reiter, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Antike und Europa an der TU Chemnitz, verdeutlichte mit ihrem Beitrag, dass der akademische Lebensweg des Historikers keinesfalls geradlinig ist und auch nicht sein muss: Eigentlich bereits von der Geschichte abgewandt, indem sie den Geschichtsunterricht in ihrer gymnasialen Ausbildung eine Absage erteilte, wurde sie durch Informationen und Kontakte auf die Studienrichtung aufmerksam - denn das Studium der Geschichte und der Geschichtsunterricht in der Schule hätten einander nichts gemein. Scheuble-Reiter nutzte die Gelegenheiten im Studium, ein Auslandssemester in Belgien sowie diverse Praktika zu absolvieren. Nach ihrer universitären Ausbildung ging sie in die Promotion; dabei wies sie die Interessenten der Tagung darauf hin, dass ein Städtewechsel - auch mehrmals - während einer Promotion nicht unüblich sei und dabei auch immer familiäre Hintergründe und Bedürfnisse eine Rolle spielen (müssten).
Prof. Dr. Stefan Pfeiffer, Mitorganisator der Tagung und Inhaber der Professur für Antike und Europa, betitelte seinen Vortrag mit "Wie wird man Professor?". Prof. Pfeiffer, der bereits in seiner Schulzeit für das spätere Studium wichtige Sprachen erlernte, untermauerte, dass er sehr wohl bereits in jungen Jahren abwog, welchen beruflichen Weg er gehen wollte: Für ihn war sowohl die Arbeit in einer Universität, als auch die Arbeit als Lehrer in einer Schule eine Möglichkeit gewesen. Letztlich entschied er sich nach seinem Studium für die Schlagworte Freiheit und Forschung, statt Beamtenstatus und Lehrertätigkeit. Auch er gab den Studierenden mit auf den Weg: "Ein geradliniger Lebenslauf und am Ende steht ein Kreuz - das muss nicht sein, oder?"
Aufgrund des großen Interesses seitens der Studierenden wird die Veranstaltung im kommenden Jahr nochmals von der Fachgruppe "Historia Europae" organisiert und durchgeführt.
(Autorinnen: Latoya Wild und Stefanie Zabel)
Katharina Thehos
24.10.2011