Die Welt ein kleines bisschen besser machen
Die TU-Absolventin Zhang Wei ist seit 2011 Professorin an der Sichuan Universität in Chengdu und Leiterin eines Sozialprojekts, das internationale Aufmerksamkeit erfährt
Zhang Wei studierte von 1997 bis 2000 im Aufbaustudium Sozialpädagogik mit den Nebenfächern Erziehungswissenschaft, Soziologie und Psychologie an der Technischen Universität Chemnitz. Von 2000 bis 2005 promovierte Zhang dann an der Professur Sozialpädagogik/Erziehungswissenschaft bei Prof. Dr. Nando Belardi und Prof. Dr. Bernhard Koring über das Thema „Sozialwesen in China“. Im Jahr 2006 wurde ihr der Universitätspreis verliehen. „Nach dem Promotionsstudium habe ich an der Professur Sozialpädagogik/Erziehungswissenschaft als wissenschaftliche Mitarbeiterin gearbeitet. Was ich an der TU Chemnitz bekommen habe, sind nicht nur zwei Zeugnisse, sondern viel mehr: kostbare Arbeitserfahrungen durch meine wissenschaftliche Tätigkeit in Lehre und Forschung und eine wunderbare Zeit mit den Kollegen und Studenten“, so Zhang Wei. Ihren Mann lernte sie während des Studiums in Chemnitz kennen. „Auch deswegen sind die TU und die Stadt Chemnitz ein fester Teil unseres Lebens. Chemnitz ist für uns eine zweite Heimat“, so Zhang Wei.
2011 gingen Zhang Wei und ihr Ehemann wieder zurück nach China, um sich mit sozialer Arbeit vor Ort intensiv zu beschäftigen. Als Professorin an der Sichuan Universität in Chengdu ist Zhang Wei für die zwei Fachbereiche Soziale Arbeit und Angewandte Psychologie zuständig. „Es interessiert mich sehr, wie zum Beispiel die Konzepte der Sozialpädagogik in China verwendet werden. Die Chinesen sind sehr amerikanisch orientiert, auch im Bereich der Sozialen Arbeit. Die Theorien und die Praxis der Sozialpädagogik aus Europa sind den Chinesen noch sehr fremd, insbesondere die guten Erfahrungen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Besonders interessant ist es, wie die Sozialarbeiter den Kindern, Jugendlichen und Familien im Alltag helfen können und wie man aus der Forschung wirksame Zusammenfassungen herausziehen kann, damit sie der sozialen Dienstleistung gegenüber der Bevölkerung weiter dienen kann. An der Lehrtätigkeit macht mir am meisten Spaß, gemeinsam mit den Studenten über ihre eigenen Beratungsfälle zu diskutieren“, so Zhang Wei.
Im Januar 2013 gründete Zhang Wei mit ihrem Mann das Chengdu Hua Ren Entwicklungszentrum für Soziale Arbeit. Das Wort „Hua“ bedeutet „chinesisch“, „Ren“ bedeutet „Nächstenliebe“. „Ich will mit dem Entwicklungszentrum für Soziale Arbeit den geeigneten Weg finden, chinesische Nächstenliebe in der Praxis umzusetzen“, so die Professorin. Gründe für den Aufbau des Zentrums sah Zhang Wei damals viele, vor allem stehen für sie die Bedürfnisse der Kinder, Jugendlichen und der Familien im Vordergrund. „Wenn man in China von Erziehung spricht, denkt man nur an die Schulbildung. Die Eltern, Kinder und Lehrer sind viel zu sehr auf die Schulleistungen fokussiert und der Leistungsdruck der Kinder ist hoch. Oft wissen die Eltern nicht, wie sie mit dem Druck von Seiten der Lehrer umgehen sollen und geben ihn weiter an die Kinder. Dieser Teufelskreis verursacht viele Familienprobleme. Ich will die Sozialpädagogik als dritte Erziehungs- und Bildungsinstitution neben Familienerziehung und Schulpädagogik in China etablieren und aufbauen, um die Sozialisierungsfunktion der Familien zu ergänzen und zu unterstützen“, so Zhang.
Durch die Gründung des Entwicklungszentrums kann Zhang ihren Studenten außerdem gute Praktikumsplätze anbieten. Im Hua Ren Entwicklungszentrum für Soziale Arbeit können die Studenten erste Praxiserfahrungen durch Kindergruppenarbeit, Familiengruppenarbeit oder bei der Erziehungsberatung sammeln. Laut Zhang Wei sind die Bedingungen für die Entwicklung der Sozialen Arbeit in China im Moment sehr günstig, um solche Projekte zu realisieren. Der Staat verabschiedete 2011 die „Mittel- und langfristige Planung zur verstärkten Entwicklung der Sozialen Arbeit und zur Vermehrung der Fachkräfte zwischen 2011 und 2020“. Außerdem wird Hua Ren von der Stadtteilregierung Jinjiang der Stadt Chengdu durch die Bereitstellung kostenloser Räume unterstützt. Zhang Wei sieht tagtäglich, dass ihre Arbeit Früchte trägt. „Zu merken, dass sich durch unsere Arbeit die Kinder oder die Eltern verändert haben ist großartig, ihr Leben ist erfreulicher. Durch die Unterstützung der Sozialarbeiter und die Erziehungsberatung werden die Beziehungen innerhalb der Familie gestärkt“, so Zhang Wei. Trotz des großen Erfolgs ist es laut Zhang schwierig, Fachkräfte zu gewinnen, da es im Bereich Soziale Arbeit in China viel zu wenig gut ausgebildetes Personal gibt.
Als Zhang Wei erfuhr, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel im Rahmen ihrer Chinareise im Juli 2014 auch das Entwicklungszentrum Hua Ren besuchen würde, war sie sehr erfreut. „Ich habe Frau Merkel im Jahr 2008 im Kanzleramt bereits gesehen, es war im Rahmen der Zusammenarbeit im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe zwischen China und Deutschland. Sie in Chengdu wiederzusehen, war ein glückliches und angenehmes Gefühl für mich. Ich habe mit ihr über die Soziale Arbeit von Hua Ren gesprochen und ihr Besuch war eine große Ermutigung und Unterstützung für uns. Ich bin sehr dankbar und werde gemeinsam mit meinem Mann weiterhin an dem Projekt arbeiten“, sagt Zhang Wei, betont aber gleichzeitig, dass Hua Ren für die weitere Arbeit Unterstützung jeglicher Art aus China und Deutschland benötigt: „Mein größter Traum wäre, ein chinesisch-deutsches Forschungsinstitut für Soziale Arbeit und Sozialpolitik zu gründen.“
Nach mittlerweile drei Jahren in China vermisst Zhang Wei an Deutschland vor allem das viele Grün und die klare Luft, aber auch ihre deutschen Freunde und Kollegen an der TU. „Ich war 15 Jahre lang in Deutschland und die schönsten Erinnerungen werden immer mit der TU und der Stadt Chemnitz verbunden sein“, so Zhang Wei.
(Autorin: Damaris Diener)
Katharina Thehos
30.07.2014