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"Wichtig ist die Leidenschaft"

Von Lissabon nach Chemnitz: Dr. Teresa Pinheiro ist dreifache Mutter und Juniorprofessorin an der TU Chemnitz

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Dr. Teresa Pinheiro ist Inhaberin der Juniorprofessur Kultureller und sozialer Wandel Foto: Mario Steinebach

Es ist ein schwüler Tag in diesem Sommer. Die Außentemperatur beträgt 30 °C im Schatten. Innerhalb des Bürogebäudes der TU Chemnitz an der Reichenhainer Straße ist es sogar noch wärmer. Dr. Teresa Pinheiro trägt eine dünne Strickjacke, lange Stoffhosen und zeigt sich von der Hitze unberührt: „Ich kann nicht sagen, dass ich ein solches Wetter gewöhnt bin“, sagt die gebürtige Portugiesin, „aber extreme Temperaturen machen mir nichts aus.“ Auch den Chemnitzer Winter fände sie nicht schlimm, lediglich, dass er manchmal nicht aufhören will und im Dauerregen ende. Aber das, meint Teresa Pinheiro, deprimiere ja jeden ein bisschen.

Deprimiert kann man sich die Inhaberin der Juniorprofessur Kultureller und sozialer Wandel an der TU allerdings gar nicht vorstellen. Ruhig, freundlich und anscheinend völlig ausgeglichen arbeitet sie an ihrem PC und schaukelt dabei ab und zu David - ihren Jüngsten - in einer Babyschale. Auf die Frage, wie sie nach Chemnitz gekommen ist, antwortet sie, dass das wirklich ein langer Weg war. Zehn Jahre und ein paar tausend Kilometer liegt es vom Studium in ihrer Heimatstadt Lissabon entfernt. Im Juli 1994 machte sie dort ihren Abschluss in Germanistik und Lusitanistik, dem Studium portugiesischstämmiger Sprachen. Bereits im Oktober war sie an der Universität Bayreuth als Lektorin für Portugiesisch angestellt. Promoviert hat sie 2002 in Paderborn. Nach ihrer Dissertation über "Die Konstruktion Brasiliens und seiner Bewohner in portugiesischen Augenzeugenberichten 1500-1595" kehrte die nun Kulturwissenschaftlerin nach Bayreuth zurück. 2004 bewarb sie sich schließlich erfolgreich für die Stelle als Juniorprofessorin an der TU Chemnitz.

Zurückblickend meint Teresa Pinheiro, war es fast ein Zufall, der sie nach Deutschland führte. In der Oberstufe musste sie eine zweite Fremdsprache wählen, suchte eine Alternative zu Französisch und fand sie in Deutsch, „eine Sprache, die man als Portugiese gar nicht versteht“. Sie war mehr und mehr fasziniert von dem Orchideenfach, beschäftigte sich auch im Studium damit und nun spricht sie Deutsch perfekt. Die sprachliche Seite fand sie dabei genauso interessant, wie die kulturelle. „Sprache ist schließlich ein kulturelles Mittel, deshalb beschäftige ich mich auch oft mit sprachlichen Aspekten der Kultur.“ Vom literarischen Ausgangspunkt ihrer Studienzeit hat sie ihren Fokus auf alle Manifestationen von Kultur erweitert, egal ob Sprache, Film oder Gedächtnisstätten.

Die Juniorprofessur an der Chemnitzer Uni gibt ihr dabei die nötige Freiheit, sich zu entfalten. „Ich kann die Stelle hier sehr genießen“, sagt sie. „Sie bietet mir eine große Selbstständigkeit, ich kann managen, selbst gestalten, Projekte starten und Gelder beantragen.“ Auch schätzt sie den interfakultären Austausch ihrer in den Europastudien angesiedelten Juniorprofessur. Bevor Teresa Pinheiro an die TU kam, befasste man sich hier größtenteils mit Osteuropa, Frankreich, Großbritannien und Italien. „Aber Europa hört ja nicht an den Pyrenäen auf“, sagt sie und freut sich, dass ihr Bereich seitdem sehr etabliert ist im Fach. Auch bei den Studenten wird er sehr geschätzt: „Portugal ist ja hier gewissermaßen ein Exotikum - das interessiert die Studenten. Und Spanien ist heutzutage bei ihnen sowieso sehr gefragt.“

Auch sie selbst hat natürlich das Interesse und die starke Bindung an die Iberische Halbinsel und vor allem an Portugal nicht verloren. Ihre Kinder erzieht Teresa Pinheiro folglich zweisprachig, der Vater spricht Deutsch, sie Portugiesisch. Drei Monate ist der verschlafen aus seiner Babyschale blickende David jetzt alt. Er ist ihr drittes Kind. Ihre Tochter Clara ist inzwischen vier, der erste Sohn Max zwei Jahre alt. Wie sie das alles schaffe, die Juniorprofessur und drei Kinder, wo doch der Ehemann nur am Wochenende zu Hause ist? „Mit Organisieren“, sagt sie. „Es ist gar nicht so schlimm, wie man es sich vorstellt.“ Die gute Kinderbetreuung in Chemnitz ist ihr dabei sehr wichtig, „das ist in Ostdeutschland ein großer Vorteil. Das war auch ein Teil meiner Entscheidung für die Stadt, neben der Nähe zu Bayreuth, wo mein Mann arbeitet.“ David lässt sie aber in der Stillzeit nur drei Stunden am Tag betreuen. So besuchte er während des Semesters oft auch die Seminare und Vorlesungen seiner Mutter. Auch bei Tagungen war er dabei. „Wenn er nicht so ein ruhiges Kind wäre, ginge das natürlich nicht. Ich hatte wirklich viel Glück mit meinen Kindern.“ Und auch mit ihrem Job, gesteht sie, denn nicht überall kann man auch auf dem Spielplatz über weitere Projekte nachdenken. Stressig wird ihr das Management von Privat- und Berufsleben dabei nicht. Im Gegenteil, beides speist sich gegenseitig, wie sie meint. Aus dem einen zieht sie die Energie für das andere: „Wichtig ist die Leidenschaft. Wenn man beides mit Leidenschaft macht, dann geht es.“

Dass Teresa Pinheiro viel Energie hat und ebensoviel Leidenschaft in ihren Beruf einbringt, sieht man an ihren Aktivitäten. Im September geht sie mit ihren Studenten auf die Suche nach Gedächtnisstätten in Portugal. Sie plant das Ergebnis dieser Exkursion in einer Internetausstellung zu präsentieren. Auch im nächsten Jahr hat sie einiges vor: Allein zwei Tagungen organisiert sie - zu „Images of Portugal in the former ‚Eastern Block’ countries of Europe“ und „Migration und Repräsentation Portugals und Spaniens". Vorträge, Seminare, Vorlesungen kommen hinzu. „Das übliche Geschäft“, sagt sie.

Mit ihrer Stelle an der Chemnitzer Universität fand Teresa Pinheiro „eine sehr, sehr interessante Arbeit“, erzählt sie. Aber trotz ihrer Arbeit und ihrer Familie sei sie offen für alle Wege, es zog sie schon immer in die Fremde. „Vieles sind auch Zufälle im Leben“, sagt sie. So könnte sie in Chemnitz bleiben, zurückkehren nach Portugal oder irgendwo in Europa arbeiten und leben. „Ich plane gar nichts“, meint sie und ihr Mann sieht das genauso. „Das ist sehr praktisch.“ David räkelt sich inzwischen entspannt gähnend auf ihrem Schoß - Gelassenheit muss vererbbar sein.

(Autor: Michael Chlebusch)

Mario Steinebach
01.08.2006

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