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Viktorianische Jubiläen fünf Jahre lang im Blick

Professur Anglistische Literaturwissenschaft der TU Chemnitz lädt ab 2. Juni 2015 zu einer langjährigen Ringvorlesung ein und sucht den Dialog mit Vertretern aller Fachrichtungen

Vor fast sechzig Jahren deutete Walter E. Houghton in seinem epochemachenden Buch „The Victorian Frame of Mind, 1830-1870 (1957)“ die sich weit über ein halbes Jahrhundert erstreckende Regierungszeit Königin Viktorias als ein kohärentes Bewusstsein – trotz der sie prägenden disparaten politischen, sozialen, religiösen, philosophischen und ästhetischen Strömungen. Houghtons Unternehmen, die viktorianische Epoche auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, ist zweifellos aus der Forschungstradition der 1950er Jahre entstanden und mag aus heutiger Perspektive als eher fragwürdiges Unterfangen erscheinen. Statt der Nivellierung geistesgeschichtlicher Differenzen zu Gunsten eines einheitlichen Weltbildes, sieht die neuere Forschung gerade in der Diversität der Epoche sowie in den ihr inhärenten Widersprüchen den Kern dessen, was wir „Viktorianismus“ nennen. Diese Eigenschaften sind es, welche die bis heute andauernde Faszination der viktorianischen Zeit ausmachen, eine Zeit, so stellte auch Houghton fest, in der die Grundlagen unserer (post)modernen Epoche zu suchen und zu finden sind.

In den kommenden fünf Jahren feiern wir runde Geburts- und Todestage zahlreicher viktorianischer Persönlichkeiten. Die Professur Anglistische Literaturwissenschaft der TU Chemnitz nimmt dies zum Anlass, in einer Ringvorlesung das Schaffen der einzelnen Jubilare ins Auge zu fassen und zu fragen, was die Viktorianer heutigen Lesern - insbesondere diesseits des Ärmelkanals - mitzuteilen vermögen. Dabei gehen sie vielen Fragen nach: Sind wir beispielsweise in libidinöser Hinsicht noch immer, wie Michel Foucault behauptete, Viktorianer? Haben sich die wirtschaftlichen Wettbewerbsverhältnisse, von denen die viktorianische „Industrial Novel“ oder „Condition of England Novel“ berichtet, seither wesentlich verändert? Wie steht es um die rigide Geschlechtertrennung in der viktorianischen Gesellschaft? Und lässt sich der sogenannte neoviktorianische Roman (z.B. von Jeffrey Eugenides oder A.S. Byatt) als Persistenz viktorianischer Ästhetik begreifen?

Um Fragen wie diesen nachzugehen, lädt die Professur Anglistische Literaturwissenschaft Kollegen aller Fachrichtungen einladen, sich aus ihrer jeweiligen Disziplin heraus mit den Viktorianern zu befassen, insbesondere mit den Jubilaren der kommenden fünf Jahre: mit den Brontë-Schwestern, Alfred Lord Tennyson, Henry James, John Ruskin, George Eliot und Charles Dickens. Aber auch Dichter und Denker, die den Viktorianern eng verbunden waren, wie etwa Karl Marx (dessen 200. Geburtstag wir 2018 begehen) und Friedrich Engels (200. Geburtstag im Jahr 2020) stehen auf dem Programm. „Mit dieser vom zeitlichen Format her betrachtet recht ungewöhnlichen Ringvorlesung möchten wir durch ausgewählte Veranstaltungsorte ferner Markierungen in die Stadt Chemnitz setzen und das hiesige Publikum einladen, an den Vorlesungen teilzunehmen“, sagt Prof. Dr. Cecile Sandten, Inhaberin der Professur.

Die ersten drei Termine

Dienstag, 2. Juni 2015, 13 Uhr
Eike Kronshage: Kirche und Recht in Anthony Trollopes Septimus Harding, Spitalvorsteher (orig. The Warden), 1855
Buchhandlung Universitas, Reichenhainer Str. 55, 09126 Chemnitz

Donnerstag, 25. Juni 2015, 19 Uhr
Eike Kronshage: "Better to be cruel". Inhumanity in Thomas Hardy´s last novel Jude the Obscure, 1895
Vortragssaal des TIETZ-Hauses, 2. Etage, Zugang über Stadtbibliothek Chemnitz (in Kooperation mit der Deutsch-Britischen Gesellschaft Chemnitz)

Sonntag, 8. November 2015, 11 Uhr
Prof. Dr. Cecile Sandten: Elizabeth Gaskell
Seminarraum des Industriemuseums Chemnitz, Zwickauer Straße 119, 09112 Chemnitz

Weitere Informationen: Eike Kronshage, E-Mail eike.kronshage@phil.tu-chemnitz.de, Prof. Dr. Cecile Sandten, E-Mail cecile.sandten@phil.tu-chemnitz.de

(Autor: Eike Kronshage, Professur Anglistische Literaturwissenschaft)

Mario Steinebach
26.05.2015

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