Für den Doktortitel ist man nie zu alt
Der Musiker Johannes Köhler fertigte im Alter von 81 Jahren seine Doktorarbeit an der Chemnitzer Professur für Öffentliches Recht und Öffentliches Wirtschaftsrecht an
Seine Biografie liest sich wie ein guter Roman: Johannes Köhler ist Musiker mit Leib und Seele. Er stammt aus einer Kaufmannsfamilie des bayrischen Kurorts Bad Kissingen. Die Musik war schon immer ein Teil von ihm, doch musste diese Leidenschaft lange warten, bis er sie gänzlich zum Ausdruck bringen konnte. Denn im Jahr 1955 stieg der damals 22-jährige Musikliebhaber in das Orientteppichgeschäft seines mit 47 Jahren verstorbenen Vaters ein, leitete es anschließend bis Anfang 1991 und unternahm viele Einkaufsreisen in den Orient. 1972, mit 38 Jahren, widmete er sich seiner Leidenschaft und begann ein Musikstudium am Würzburger Konservatorium für Musik. Dieses schloss er 1977 erfolgreich mit einem Diplom als staatlich geprüfter Musikschullehrer ab. Jahrzehntelang lebte Köhler anschließend das Leben eines Vollblutmusikers. Er musizierte und komponierte – bis im Jahr 2012 die Idee in ihm reifte, das im Studium erworbene Wissen zu nutzen und zu promovieren. „Ich dachte darüber nach, was ich im Leben alles erreicht habe“, erinnert sich der heute 82-Jährige und ergänzt: „Ich wollte meine Talente ausschöpfen und mir nichts entgehen lassen. Somit war der Erwerb des Doktortitels ein wichtiger letzter Schritt in meinem Leben.“
Viele Monate lang arbeitete Köhler an seiner Dissertation zum Thema „Welt(Wirtschafts)Macht Musik“, die er im November 2014 an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Chemnitz verteidigte. Auf 186 Seiten hatte er den Weg der Musik in die Wirtschaft nachvollzogen und begründet. Die Recherche erfolgte weitestgehend via Internet, doch der ständige persönliche Kontakt zu Doktorvater Prof. Dr. Ludwig Gramlich, Inhaber der Professur für Öffentliches Recht und Öffentliches Wirtschaftsrecht, kam dabei nicht zu kurz. Bekannt wurden der gebürtige Bad Kissinger und Gramlich durch eine gemeinsame Freundin. Köhler entsinnt sich: „Unser Zusammenkommen war ein glücklicher Zufall und die Idee der Promotion schnell umgesetzt. Zwar war es anfangs schwierig, mich wieder in die Wirtschaft hineinzudenken und die Musik nur am Rande zu betrachten, doch im Laufe der Zeit entwickelte sich ein roter Faden. Musik beherrscht derzeit emotional die Welt der Menschen. Medien und Industrie machen sich das zu Nutzen und schlagen Kapital daraus. So werden jährlich Millionen Euro Umsatz generiert und die Musik avanciert zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor.“
Persönliche Kontaktpunkte mit der Wirtschaft hat Köhler vor allem mit dem Geschäft am Bad Kissinger Marktplatz, das seit fast 30 Jahren ausschließlich seine eigene Musik verkauft. „Musik zum Streicheln“ nennt der Komponist seine Melodien, die klassisch-romantischer Natur sind und „das Seelenleben der Menschen ansprechen“. Im Jahr 1982 veröffentlichte Köhler seine erste von mittlerweile 13 Platten bzw. CDs, die den Titel „Gefühle“ trägt. Wie all seine Kompositionen geht auch die Produktion dieses Tonträgers auf die Verarbeitung persönlicher Erfahrungen und Schicksalsschläge zurück. „Die Musik ist immer mit etwas Sozialem verbunden. Sie spiegelt menschliche Emotionen wider und ist Ausgangspunkt für unsere Sehnsüchte und Wünsche. Mit meiner ersten Platte verarbeitete ich den Tod meiner Berner Sennenhündin Amelie, denn jegliche Emotionen kann man am besten mit Musik ausdrücken“, verdeutlicht Köhler. Zwar spielte Köhler schon als junger Mann Akkordeon, Saxophon und Klavier, doch die Umsetzung seiner Kompositionen erfolgt gemeinsam mit dem großen Streichorchester der Münchner Symphoniker. Insgesamt verkauften sich über eine Million Tonträger der „Musik zum Streicheln“, aus deren Erlösen er verschiedene soziale Einrichtungen wie den Deutschen Tierschutzbund oder UNICEF mit insgesamt 1,4 Millionen D-Mark unterstützte.
Mit dem Erwerb des Doktortitels im Bereich (Musik-)Wirtschaft gelang dem Musiker die Verknüpfung theoretischer Inhalte und persönlicher Interessen unter Einbezug jahrzehntelanger Praxiserfahrung im Musikgeschäft. Köhler zählt nun zu den ältesten Promovierten an der TU Chemnitz.
Übrigens: Die Dissertation von Dr. Johannes Köhler zum Thema "Welt(Wirtschafts)Macht Musik" finden Interessenten im Volltext-Archiv Monarch-Qucosa der TU Chemnitz: http://www.qucosa.de/fileadmin/data/qucosa/documents/15725/Dissertation%20K%C3%B6hler%2012-2014.pdf
(Autorin: Katharina Preuß)
Katharina Thehos
21.01.2016