Sprechen mit dem ganzen Körper
Welches vielseitig einsetzbare Werkzeug unsere Stimme ist, erklärte Stimmtrainer und Sprechwissenschaftler Ronald Herzog rund 400 Juniorstudenten der Kinder-Uni Chemnitz am 24. Januar 2016
„Was könnte das für ein Instrument sein?“, fragte Ronald Herzog im Hörsaal während er eine Audiovorführung gab, die wie ein kurzes Trommelstück klang. Geübte Kinderohren erkannten darin wie die menschliche Stimme die Schlagzeug-Elemente imitierte. Das sogenannte Beatboxing ist nur ein kreatives Handwerk, zu dem unsere Sprechorgane fähig sind. Mit seinem Vortrag zum Thema „Wunder-Werkzeug Stimme – Ich spreche. Du sprichst. Wir überzeugen!“ sollte der Sprechwissenschaftler den rund 400 Juniorstudenten der Kinder-Uni Chemnitz am Morgen des 24. Januar 2016 die Hintergründe der Sprechfertigkeiten näherbringen und außerdem demonstrieren, was ein jeder mit ihnen erreichen kann. Damit beschließt der Stimmtrainer vom Institut für Germanistik und Kommunikation der TU Chemnitz, der zudem angehenden Lehrern am Zentrum für Lehrerbildung Sprechkompetenzen vermittelt, die Kinder-Uni Chemnitz im Wintersemester 2015/2016. Zunächst ging es dem Referenten um die Physiologie des Sprechens und damit um die Frage, wie unsere Stimme eigentlich funktioniert. Dazu präsentierte er den Kindern sowohl alle an der Stimmbildung beteiligten Organe als auch den physiologischen Prozess des Sprechens. Anschaulich wurde dies durch eine reale Aufnahme der Arbeit der Stimmbänder im Kehlkopf, die einen in der Höhe variablen Grundton erzeugen können. Dieses Wirkprinzip konnten die Kinder mit ausgeteilten Luftballons nachahmen. Auch hier ändert sich die Tonhöhe, lässt man die enthaltene Luft durch den unterschiedlich verengten Ausgang entweichen. Zudem erwähnte Ronald Herzog, dass wir nicht nur in sozialen Interaktionen unsere Stimmen anpassen, sondern dass es durchaus unterschiedliche Sprechkulturen gibt, die Stimmphänomene anders bewerten als wir.
Im Nachgang dieser Erkenntnis galt es mit dem Sprechwissenschaftler brennende Fragen rund um die Stimme zu beantworten. Dabei wurde geklärt, dass Opernsänger durch die fortschreitende Verknöcherung des Kehlkopfes im hohen Alter keine hohen Töne mehr erreichen können. Außerdem erläuterte der Stimmtrainer das Phänomen des Stimmbruchs und welche wichtige Funktion die Stimmlippen übernehmen, wenn man sich verschluckt. Danach gab Ronald Herzog den Kindern wichtige Erste Hilfe-Tipps bei Stimmproblemen wie etwa Heiserkeit an die Hand, auch um näher auf die Bedeutung eines intakten Stimmapparats einzugehen. „Sprich, damit ich Dich sehe“ sagte einst der altgriechische Philosoph Sokrates. Angelehnt an dieses Zitat eröffnete der Referent ein „Hör-Memory“, bei dem die Juniorstudenten angehalten waren, verschiedene Stimmproben bestimmten Personen wie einem Professor oder einem sächsischen Senior zuzuordnen. Wenngleich Ronald Herzog zu verdeutlichen wusste, dass unsere Annahmen, die durch Hörgewohnheiten gesteuert werden, nicht immer zutreffend sind, so lässt sich gemäß seinen Ausführungen über die Stimme doch viel von einem Menschen in Erfahrung bringen. Weiterhin argumentierte der Sprechwissenschaftler, dass das Wie beim Sprechen einen entscheidenden Anteil bei der Kommunikation ausmacht. Dies bewies er anschließend an einem Text, der unterschiedlich vorgetragen, den Zuhörer immer eine andere Bedeutung vermittelt. Bei diesem „Spiel mit der Stimme“ sind Faktoren wie die Betonung, Sprechmelodie, Rhythmus und Artikulation wichtig. Daneben liefern der Gestus sowie der Subtext wichtige Informationen, welche die Rede ergänzen. „Man braucht immer den ganzen Körper zum Sprechen“, gab der Sprechexperte folglich zu Bedenken. Auch die Juniorstudenten waren eingeladen, mit ihrer Stimme zu spielen und so verschiedene Stimmungen auszudrücken.
Doch wie überzeugt man seine Zuhörer am besten? Am Beispiel einer unverständlichen Politikerrede analysierte der Sprechwissenschaftler wie bedeutsam Auftreten, Denk-, Sprach- und Sprechstil sind. Auch Werbebotschaften halten sich an rhetorische Regeln, die zum Kauf verleiten sollen. Eine dieser Techniken ist der Fünfsatz, der neben Zielformulierung und Einleitung anhand dreier gezielt ausgewählter Argumente – auch in dialektischer Form – das Gegenüber von seinem Anliegen überzeugen soll. Damit ließe sich, scherzte Ronald Herzog, den Eltern der Kinder bestimmt der oder andere Gefallen abschlagen. Dabei betonte er auch wie wichtig Kompromissbereitschaft und ein freundliches Auftreten für eine Verhandlung sind. Ein Positivbeispiel stellte eine Rede des US-Präsidenten Barack Obama in Berlin dar, die im „Rede-Check“ selbst ohne erweiterte Englischkenntnisse ein überzeugendes Bild abgab. Den Kindern gab der Kommunikationsforscher auf den Weg, stets einfach, übersichtlich gegliedert, anregend-anschaulich sowie kurz und prägnant zu sprechen, wenn sie möglichst erfolgreich referieren wollen.
Welche Spielarten des Sprechens es gibt, zeigten danach drei Juniorstudenten gemeinsam mit Vocalcoach Sophie Böhmchen. Aus ihnen wurden ein Opernsänger, ein Politiker und eine Rapperin, die Lyrik stilecht und überzeugend dem Hörsaal darboten. Mit Übungen aus dem Körper-Stimm-Training lernten die Juniorstudenten nun, wie sie ihr eigenes Sprechen verbessern können. Dazu gehören neben einer guten Artikulation und einer aufrechten Haltung auch die Aktivierung von Zwerchfell und Gesichtsmuskulatur. So summte es durch den Vorlesungssaal, als die Kinder gemeinsam ihr Sprechen schulten. Zum Abschluss führte Ronald Herzog vor, wie man mit der sogenannten Lax Vox Methode den Stimmorganen zu einem klareren Klang verhelfen kann und testete die Kinder in einem kleinen Stimm-Quiz. Selbstredend konnten die Juniorstudenten die dort aufkommenden Fragen über das Wunder-Werkzeug Stimme nach diesem Vortrag spielend beantworten. Am 10. April 2016 besucht dann der nächste Referent die Kinder-Uni Chemnitz. Prof. Dr. Jörg Junhold vom Zoo Leipzig wird zu Beginn des Sommersemesters mit den Juniorstudenten über Artenvielfalt und Artenschutz sprechen.
(Autor: Andy Schäfer)
Katharina Thehos
25.01.2016