Ein DDR-Funktionär, der seine politische Verantwortung kritisch hinterfragt
Ringvorlesung „Friedliche Revolution und Demokratie – Perspektiven nach 25 Jahren“: Am 1. Juli 2014 spricht Dr. Wolfgang Berghofer, früherer SED-Funktionär und 1986 bis 1990 Dresdner Oberbürgermeister
Dr. Wolfgang Berghofer, früherer SED-Funktionär und 1986 bis 1990 Oberbürgermeister der Stadt Dresden, referiert am Dienstag, dem 1. Juli 2014, in der Ringvorlesung „Friedliche Revolution und Demokratie – Perspektiven nach 25 Jahren“. Die Vortragsreihe findet jeweils dienstags um 18 Uhr im Hörsaalgebäude der TU Chemnitz, Reichenhainer Straße 90, im Raum N 112 statt. Der Eintritt ist frei.
Wolfgang Berghofer, Jahrgang 1943, wuchs nach dem Krieg bei seinen Großeltern in Bautzen auf. Nach der Oberschule absolvierte er zunächst eine Lehre im Bereich Maschinenbau und arbeitete in einem Volkseigenen Betrieb. Mit 19 Jahren wurde Berghofer Kandidat der SED, der er 1964 beitrat. Dem folgte eine steile politische Karriere in den Reihen der staatlichen Jugendorganisation FDJ, die im Januar 1986 mit der Ernennung zum Oberbürgermeister der Stadt Dresden ihren Höhepunkt erreichte. Im Jahr zuvor hatte Berghofer noch sein Fernstudium der Geschichte an der Universität Rostock erfolgreich abgeschlossen. Als Dresdener Stadtoberhaupt aktivierte und pflegte er die Städtepartnerschaft mit Hamburg ebenso wie den Kontakt zu den sozialdemokratischen Bürgermeistern der Hansestadt, Klaus von Dohnanyi und Henning Voscherau. Berghofer rückte vor allem im Herbst 1989 ins politische Rampenlicht der untergehenden DDR, als er – zunächst sehr reserviert – in den Dialog mit der oppositionellen Dresdener „Gruppe der 20“ trat. Bald wurde er jedoch auch ob seiner Medien- und Redegewandtheit im Westen wie im Osten als Reformer wahrgenommen, nicht wenige sahen in ihm indes einen „Wendehals“. „Bergatschow“, wie ihn manche Auguren nannten, kritisierte die „alte SED-Führung“ hart und trat schließlich im Januar 1990 aus der SED/PDS aus, der er Reformunwilligkeit und -unfähigkeit vorwarf. Seine Kontakte zu westdeutschen Politik- und Wirtschaftseliten ermöglichten ihm 1990 nach dem überraschenden Ausscheiden aus der Politik einen beruflichen Neuanfang. Anfangs arbeitete er als Generalbevollmächtigter der süddeutschen Häussler-Gruppe in der DDR, heute ist er Vorsitzender der Betrieblichen Versorgungswerke für Unternehmen und Kommunen e.V. 1992 holte ihn seine Vergangenheit ein. Wolfgang Berghofer wurde vom Dresdener Bezirksgericht wegen „Wahlfälschung und Anstiftung zur Wahlfälschung“ zu einer Freiheitsstrafen von einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung, sowie zu einer Geldstrafe verurteilt. Im Jahr 2007 warf er in einem Interview der SED/PDS-Führung um Hans Modrow vor, 1989 bewusst die Schuld für die menschenverachtende Diktatur und das ökonomische Desaster in der DDR der Staatssicherheit zugeschoben zu haben, um von der Verantwortung der SED abzulenken. Mit Dr. Wolfgang Berghofer ist ein ehemaliger DDR-Funktionär zu Gast an der TU Chemnitz, der seine politische Mitverantwortung in der DDR seit Jahren kritisch hinterfragt.
Weitere Informationen erteilen Prof. Dr. Eckhard Jesse, Telefon 0371 531-27720, E-Mail eckhard.jesse@phil.tu-chemnitz.de, oder Dr. Thomas Schubert, Telefon 0371 531-36953, E-Mail thomas.schubert@phil.tu-chemnitz.de.
(Autor: Dr. Thomas Schubert)
Katharina Thehos
27.06.2014