MADRID MONUMENTAL

 

JUNIORPROFESSUR KULTURELLER UND SOZIALER WANDEL

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Nationalidentität

Eine größere Rolle als die Angst vor dem Sprachverfall hat vermutlich das nationale Denken bei der Gründung der spanischen Sprachakademie gespielt. Die Sprache wurde als Instrument zur Stärkung der spanischen Nation gesehen. Daher bestand die Notwendigkeit eine renommierte Akademie zu schaffen, die bestehende Missstände beheben und das so erreichte hohe Niveau der Sprache sichern würde. Der Leitspruch der Akademie Limpia, fija y da esplendor verdeutlicht das Selbstverständnis und die Zielsetzung der Akademie. Die Sprache soll zunächst gereinigt werden (limpia), um sie dann zu fixieren (fija). Diese Maßnahmen sollen für mehr Ansehen und Prestige der Nation sorgen (esplendor), insbesondere im internationalen Bereich. Im historischen Kontext betrachtet, erscheint diese Denkweise logisch. Die spanische Monarchie sah sich im Vielvölkerstaat des Habsburger Reiches mit vielen verschiedenen Sprachen konfrontiert. So wurde der Wunsch geweckt die eigene Sprache und Kultur zu bewahren und sich im Sprachenwettstreit gegen die anderen Völker, etwa Italien, durchzusetzen, indem der Staat das Kastilische stärkte.[1]

Dieses Bedürfnis der Völker in Europa, sich voneinander abzugrenzen und zu übertreffen, verstärkte sich im 19. Jahrhundert, als das Nationalbewusstsein entstand. Ihren Anfang nahm diese Entwicklung mit der Französischen Revolution, die die Idee der Volkssouveränität hervorbrachte. Sie hat somit den Grundstein für das neue politische Ordnungskonzept, den Nationalstaat, gelegt. Die absolutistische Herrschaftsform wurde abgelöst und die Bürger nahmen aktiv am Staatsgeschehen teil und wollten mitbestimmen.  Mit dieser Emanzipation des Bürgers ging der Bedarf nach einer neuen Rechtfertigung für die Einheit einer Nation einher, die man nicht mehr auf den Herrscher von Gottes Gnaden stützen konnte. Um ihr Bestehen zu rechtfertigen beriefen sich die Nationen auf eine gemeinsame Sprache und Kultur. Die Spachakademie leistete ihren Beitrag zur Stabilisierung der Nation, indem sie durch die Kodifizierung der Sprache bei der Homogenisierung der spanischen Nation mitwirkte. Die Mitglieder der Sprachakademie publizierten verschiede Werke, die sich mit dem Sprachgebrauch beschäftigen.  Das erste Wörterbuch erarbeiteten sie 1726-1736, es folgten eine Grammatik und Veröffentlichungen zu Poesie und Sprachgeschichte. Mit diesen Grundlagenwerken leistete die Akademie einen Beitrag zur Kodifizierung des Spanischen und sorgte so auch für die Einheit der Sprache. Dies war die Basis für die Kommunikation innerhalb des spanischen Reiches, das sich durch unterschiedliche Regionalsprachen auszeichnete. Die vereinheitlichte Sprache konnte der Staat mit Hilfe der neu eingeführten Schulpflicht einer breiten Masse der Bevölkerung vermitteln, was zur Stärkung des Nationalbewusstseins und Zusammengehörigkeitsgefühls beitrug.

Die Funktion von Sprache

Sprache ist ein zentrales Mittel zur Konstruktion von Nationen. Nach Benedict Anderson sind Nationen nur vorgestellte Gemeinschaften. Um die Zusammengehörigkeit zu begründen bedarf esverschiedener identitätsstiftender Mittel.[2] Elemente des Nationendiskurses sind Ursprungsmythen und Geschichten über besondere Ereignisse. Eine homogene Sprache gewährleistet die Weitergabe dieser identitätsstiftenden Elemente. Die Mitglieder einer Nation können kommunizieren und das Repertoire der nationalen Symbole weitergeben. Die gemeinsame Sprache stabilisiert also auch eine Nation. Doch nur über den Staatsapparat kann eine gemeinsame Sprache etabliert werden. Er gibt die Amts- und Unterrichtssprache vor, so dass alle Mitglieder einer Nation gezwungen sind, sie zu lernen.[3] Ist die Grundlage des gemeinsamen Kommunikationsmittels geschaffen, kann der Staat identitätsstiftende Elemente, wie Ursprungsmythen und Geschichten über bedeutende Ereignisse, verbreiten. Dies geschieht beispielsweise im Schulunterricht, der im 19. Jahrhundert verpflichtend wurde, wenn allen Schüler ein einheitliches Bild von der Geschichte ihres Landes vermittelt wird. Eine einheitliche nationale Sprache lieferte die Grundlage für einen einheitlichen Unterricht. Für Spanien war und ist diese Funktion sehr bedeutend, zeichnet sich das Land doch durch viele verschiedene Regionalsprachen aus. Die Einheit der Sprache stellt einen wichtigen Faktor für die Stabilität der Nation dar.[4]

Lesen Sie mehr:



[1] Lebsanft 2002: 298.
[2] Anderson 1994: 6.
[3] Hobsbawm 2005: 114.
[4] Fries 1984: 52.