Der Anfang
Technische Bildung besitzt in Chemnitz eine lange Tradition und ist vor allem mit der Vielfalt textiler Gewerbe verbunden. Anfang des 19. Jahrhunderts etabliert sich hier der Maschinenbau - zunächst nach englischem Vorbild, schließlich mit eigenen innovativen Leistungen.
Namen wie Bernhard, Haubold, Schwalbe, Hartmann, Schönherr, Zimmermann und Voigt werden bald zum Inbegriff hervorragender und international anerkannter Produkte. Die noch junge Industriestadt emanzipiert sich auf diese Weise zu einem "Sächsischen Manchester" und wird weltbekannt.
Gewerbe und Industrie verlangen jedoch auch nach gebildeten Fachleuten; im Jahre 1796 gründet man deshalb eine Kurfürstliche Anstalt, die wenig später zur Fabrikzeichenschule erweitert wird und der Ausbildung von Webern, Formschneidern und Druckern dient. Eine ähnliche Bestimmung hat die Sonntagsschule des Handwerkervereins. Den ständig steigenden Anforderungen genügen diese Einrichtungen jedoch kaum; zunehmend beklagt man nämlich, daß der "sächsische Kunstfleiß des Einflusses der angewandten Wissenschaft entbehren müsse". So sieht sich der im Jahre 1829 gegründete "Industrieverein für das Königreich Sachsen" veranlaßt, für eine Bildungsstätte zu plädieren, die den Erfordernissen der noch jungen Industrie entspricht. Vorbilder existieren zur Genüge; in Paris, Wien, Prag, Berlin und Dresden haben sich derartige Schulen bereits etabliert. Unter Mitwirkung des Chemnitzer Stadtrates, der Stadtverordneten sowie des Handwerkervereins einigt man sich schließlich auf ein entsprechendes Modell, dem das Königliche Ministerium des Innern in Dresden seine Zustimmung erteilt.
Am 2. Mai 1836 erfolgt die feierliche Eröffnung dieser neuen Bildungsstätte, der Königlichen Gewerbschule zu Chemnitz. Da noch kein eigenes Gebäude zur Verfügung steht, werden von der Stadt - sie umfaßt gerademal 20 000 Einwohner - zunächst drei Räume des ehemaligen Lyceums am Jakobikirchplatz zur Verfügung gestellt. Die Bestimmung der Schule wird in einer Satzung festgeschrieben, und es heißt hier unter anderem:
"Die Gewerbschule zu Chemnitz hat den Zweck, denjenigen, die sich dem praktischen Gewerbsleben im Bereiche des Handwerks- oder Fabrikbedarfs zu widmen gedenken, Gelegenheit zur Erlangung einer, ihren Bedürfnissen entsprechenden wissenschaftlichen Ausbildung darzubieten, und dadurch insbesondere zur Vervollkommnung des vaterländischen Gewerbswesens beizutragen".
Als Aufnahmebedingungen werden genannt:
- ein Alter von wenigstens 14 Jahren,
- der Nachweis der erfolgten Pockenschutzimpfung,
- die gehörige Benutzung des früheren Schulunterrichts und namentlich Fertigkeiten im Lesen, Schreiben und den gemeinen Rechnungsarten,
- die erfolgte kirchliche Konfirmation.
An anderer Stelle hat man festgelegt, sich "über den Verstand, das Streben und das Talent des Bewerbers" informieren zu wollen. Die Satzung befand jedoch auch über den Austritt aus der Anstalt, nennt als Gründe beispielsweise Strafe oder: "wegen Unfleißes des Zöglings".