Aus dem Makrokosmos in den Mikrokosmos
Matthew Sinclair von der University of Arizona absolviert im Rahmen des RISE-Programmes des DAAD sein Praktikum an der TU Chemnitz
Matthew Sinclair wechselte von der University of Arizona in Tucson für drei Monate an die TU Chemnitz. Foto: Ronny Oehme |
Matthew Sinclair hat in mehrfacher Hinsicht eine Reise über große Distanzen hinter sich. Der 21-jährige Student des Elektro- und Optoingenieurwesens an der US-amerikanischen University of Arizona in Tucson ist seit Mai im fast 9.300 Kilometer entfernten Chemnitz Praktikant an der Juniorprofessur für Photonik und optische Materialien.
Fast 250 Millionen Kilometer weiter und zwei Jahre später soll im Mai 2008 die Phoenix-Raumsonde der NASA auf dem Mars landen und unter anderem hochaufgelöste Bilder des Roten Planeten zur Erde übermitteln. Dann werden weltweit zahllose Menschen unwissentlich an der Arbeit des jungen Amerikaners teilhaben. Am Mond- und Planetenlabor in Tucson (Lunar and planetary laboratory), das als Optik-Mekka durchaus einen Namen hat, war er an der Entwicklung optischer Geräte für das NASA-Projekt "Mars Lander" beteiligt und baute beispielsweise einige der Kamerasysteme für das Landemodul.
An der TU Chemnitz begibt er sich hingegen vom ganz Großen ins ganz Kleine. Statt dem Roten Planeten stehen hier rote Kügelchen im Mittelpunkt. Im Mikrokosmos der so genannten Halbleiternanopartikel, deren Durchmesser weniger als das Hundertstel der Dicke eines menschlichen Haares beträgt, forscht er in der Chemnitzer Arbeitsgruppe Photonik und optische Materialien unter der Leitung von Juniorprofessor Frank Cichos. Im Fokus der Mikroskope der Chemnitzer steht dabei die Frage, ob und wie die kleinen Halbleiterteilchen als Bausteine der künftigen Nanoelektronik eingesetzt werden können.
Matthew, der 1985 im Wüstenstaat Arizona im Westen der USA geboren wurde, entschied sich in seinem Studium bereits zeitig für ein Auslandspraktikum. Durch den guten Ruf, den deutsche Bildungseinrichtungen für ihre professionelle Forschung speziell in den Bereichen Physik, Technik und Ingenieurswesen in den Staaten genießen, war Deutschland für ihn dabei erste Wahl. Neben dem für ein Praktikum im Ausland obligatorischen Kennenlernen anderer Länder und Menschen reizte den jungen Studenten vor allen Dingen die Herausforderung. So ist die Erfahrung "verschiedener Berufsumfelder und Arten zu arbeiten interessant und vorteilhaft für den eigenen zukünftigen Job." Besonders aufgefallen ist ihm "der streckenweise gravierende Unterschied im Lebensstil zwischen den USA und Deutschland. Die Amerikaner gönnen sich kaum Freizeit und leben den Wettbewerb in fast allen Bereichen. Im Gegensatz dazu genieße ich die Gemütlichkeit der Deutschen und bin überrascht, zu welchen Leistungen sie trotzdem, oder gerade deswegen, fähig sind." Da für Matthew auch der historische Hintergrund des geteilten Deutschlands von großem Interesse ist, erschien ihm die Chemnitzer TU die beste Wahl zu sein.
Das Thema "Leuchttürme der Nanowelt" der Arbeitsgruppe Photonik und optische Materialien war eines von insgesamt 380 ausgeschriebenen Themen des RISE-Programmes des DAAD. Die Chemnitzer Forscher erhielten dafür aus zusammen 605 Interessenten für alle Aufgabenstellungen nicht weniger als acht Bewerbungen. Damit war ihr Thema hinsichtlich der Resonanz auch eine Art Leuchtturm, wurde doch der Schnitt von 1,6 Bewerbern je Themenstellung weit übertroffen. Den Zuschlag und damit das Stipendium des DAAD erhielt schließlich Matthew Sinclair. Damit ist die Juniorprofessur für Photonik und optischen Materialien der Technischen Universität Chemnitz bereits zum zweiten Mal Gastgeber eines solchen Praktikums.
Ihre Popularität verdankt die Juniorprofessur nicht zuletzt ihrer straffen Orientierung an und der kontinuierlichen Präsenz auf dem internationalen Wissenschaftsmarkt. So hatte bereits im Vorjahr Matthews Vorgängerin Klementyna Szwaykowska vom California Institute of Technology mit einem DAAD-Stipendium sieben Wochen in der Arbeitsgruppe zugebracht und optische Eigenschaften einzelner Moleküle auf Halbleiternanopartikeln untersucht. Und der Beitrag von Doktorand Arne Schob über Diffusion in eingeschränkten Geometrien kam im vergangenen Dezember bis ins Finale des Best-Poster-Awards auf der Herbsttagung der US-amerikanischen Materialforschungsgesellschaft MRS in Boston, die mit 5.100 Teilnehmern in 42 Symposien eine der größten Wissenschaftskonferenzen der Welt ist.
Stichwort: DAAD-Programm "RISE"
Mit Hinblick auf die federführende Rolle der amerikanischen Forschung und im Sinne der Integration des Forschungsstandortes Deutschland in die weltweiten Wissenschaftsnetzwerke hat der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) vor zwei Jahren das Programm RISE (Research Internships in Science and Engineering) geschaffen. RISE (http://www.daad.de/rise) soll künftigen nordamerikanischen Wissenschaftlern noch während ihres Studiums einen Auslandaufenthalt in der Bundesrepublik ermöglichen und damit frühzeitig den Samen für zukünftige Kontakte zwischen alter und neuer Welt legen. Dafür schreiben deutsche Doktoranden der Fachgebiete Biologie, Chemie, Physik, Geo- oder Ingenieurwissenschaften ein Teilprojekt ihrer Dissertation als Praktikum aus, das die jungen Amerikaner, die meist in ihrem zweiten oder dritten Studienjahr sind, unter deren fachkundiger Beratung bearbeiten. Dabei verbessern die deutschen Nachwuchswissenschaftler ihr Englisch und üben sich in Personalführung, während die amerikanischen Studenten ihrerseits an die wissenschaftliche Forschung herangeführt werden und die europäische Forschungskultur kennenlernen.
Weitere Informationen erteilen Juniorprofessor Frank Cichos, Telefon (03 71) 531 - 33 066, E-Mail cichos@physik.tu-chemnitz.de und Dipl.-Phys. Thomas Blaudeck, Telefon (03 71) 531 - 35 610, E-Mail thomas.blaudeck@physik.tu-chemnitz.de
Die Juniorprofessur für Photonik und optische Materialien der TU Chemnitz im Internet: http://www.tu-chemnitz.de/physik/POM
(Autor: Ronny Oehme)
Mario Steinebach
31.07.2006