"German-Israeli Relations Workshop" startete in die zweite Runde
TU Chemnitz und Sapir Academic College Sderot organisierten in Chemnitz einen Workshop, bei dem erneut deutsche und israelische Studierende zusammengebracht wurden
Ein Jahr ist es nun her, dass die TU Chemnitz in Deutschland und das Sapir Academic College Sderot in Israel einen Workshop ins Leben gerufen haben. Dieser diente dazu, israelische und deutsche Studenten zusammenzubringen und sie über aktuelle politische, soziale und wirtschaftliche Herausforderungen in ihren Ländern diskutieren zu lassen, das Verständnis für eine andere Kultur zu vertiefen und die deutsch-israelische Kooperation und Freundschaft aufrecht zu erhalten. Jetzt konnte der Workshop 2017 erfolgreich in die zweite Runde starten.
Vom 19. bis 26. März 2017 war es endlich soweit: zusammen mit dreizehn israelischen Studenten des Sapir Academic Colleges Sderot würden wir fünfzehn Studenten der TU Chemnitz in der nächsten Woche eine politische Debatte nach der nächsten führen. Doch bevor es soweit kommen konnte, bedurfte es einer erneuten exzellenten Organisation, um eine solche Gruppe zu managen. Betreuer des Projekts sind auf der deutschen Seite Prof. Dr. Beate Neuss, Inhaberin des Lehrstuhls für Internationale Politik an der TU Chemnitz sowie Jakob Kullik M.A., wissenschaftlicher Mitarbeiter an dieser Professur. Die israelische Gruppenseite wird durch den „incredibly talented“ Dr. Michael Dahan, Mitglied des Department for Public Adminstration and Policy in Sderot, geleitet. Ein weiterer großer Dank gilt den Sponsoren dieses Workshops, wie der Stiftung Deutsch-Israelisches Zukunftsforum, der Konrad-Adenauer und Axel-Springer Stiftung, der Firma FCM – Freiberger Compound Materials GmbH sowie dem israelischen Unternehmer Michael Federmann, ohne die eine erneute Durchführung des Workshops unmöglich gewesen wäre.
Nach der Ankunft der israelischen Studenten am späten Sonntagabend in Chemnitz hatten wir alle die Möglichkeit, uns kurz vorzustellen, bevor es auch schon zum Schlemmen ins Turmbrauhaus ging. Ernüchternd mussten wir feststellen, dass es unseren israelischen Gästen nicht ganz so leicht fiel wie uns, sich für die gutbürgerlich deutsche Küche zu begeistern. Das allerdings konnte niemandem aufs Gemüt drücken, und obwohl alle müde waren und sich dringend erholen mussten, dachte keiner daran, früher aufs Zimmer zu gehen. Stattdessen wurde die Zeit genutzt, sich bei Bier und Sauerbraten ein bisschen besser kennen zu lernen, erste Diskussionen anzufangen, sowie Freundschaften zu schließen. Diesen Prozess konnten wir am darauffolgenden Montag direkt fortsetzen, denn ein Tagesausflug nach Freiberg und Dresden stand an. In Freiberg angekommen, bekamen wir dank Dr. Stefan Eichler einen Einblick in die aufwendige Herstellung von Mikrochips. Mitsamt Haarschutz, Schuhüberziehern, Latexhandschuhen und weißen Plastikkitteln durften wir ganz nah an die hochsensiblen und extrem aufwendig hergestellten Kristalle zur Mikrochipanfertigung herangehen. Im Anschluss ging es auch direkt weiter in die Landeshauptstadt Dresden, wo uns eine Führung durch den Sächsischen Landtag erwartete, sowie eine Diskussions- und Fragerunde mit Christian Piwarz (CDU) zum Thema „Politische Situation in Sachsen, Migration und AfD“. Dabei kristallisierten sich bereits schon deutlich die verschiedenen Meinungen der Teilnehmer heraus und zwischen vielen kritischen Nachfragen an Christian Piwarz kam auch die ein oder andere lautere Debatte zustande. Diese Diskussionen wurden auch bei der darauffolgenden Stadttour fortgeführt und selbst ein kleiner Einblick in die gerade stattfindende PEGIDA-Demonstration war möglich, um direkt eine Visualisierung zu der von Piwarz genannten Thematik zu bekommen.
Ab sofort wurde jeden Abend zusammen in verschiedenen Lokalen in Chemnitz gespeist und getrunken und im Anschluss noch mehr geredet und geredet und geredet. Das Interesse an den anderen Einstellungen und der fremden Kultur war so groß, dass wir uns nicht davon abhielten ließen, bis spät in die Nacht zu diskutieren, um am nächsten Morgen sagen zu können, dass wir nicht einmal fünf Stunden Schlaf abbekommen haben. Doch genau diese Abend- und Nachtschichten haben uns als Gruppe zusammengeschweißt und so standen wir auch gemeinsam die lange und anstrengende, aber auch unglaublich interessante, horizonterweiternde Woche voller Vorträge durch. Dank der hervorragenden Organisation ermöglichten uns Prof. Dr. Neuss und Herr Kullik eine große Bandbreite an politischen Vorträgen namhafter Persönlichkeiten.
So tauschten wir uns im Schwerpunkt Sicherheitspolitik mit Gordian Meyer-Plath, dem Präsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz in Sachsen über die Problematik des Extremismus in Sachsen aus – unabhängig davon ob Links- und Rechtsextremismus oder Islamismus, waren wir uns als Gruppe einig, dass Extremismus nie eine Lösung sein kann. Vor allem die Israelis konnten kaum fassen, dass Meyer-Plath tatsächlich vom Verfassungsschutz kommt, da eine solche Offenheit im Umgang mit sensiblen Informationen in Israel nicht Gang und Gebe sei. Weitere Redebeiträge bezüglich der Sicherheitspolitik in Deutschland und Europa kamen unter anderem von Brigade General Armin Staigis, der durch seine langjährige Erfahrung in Bundeswehr, EU und NATO-Führung einen Einblick in die sicherheitspolitische Lage geben konnte. Auch Dr. Kristina Eichhorst von der Konrad Adenauer Stiftung nahm sich besonders viel Zeit, um all die Fragen der Studenten bezüglich der Gefahr von Terroranschlägen darzustellen und zu beantworten. Ein weiterer Schwerpunkt lag neben der Sicherheits- auf der Integrations- und Migrationspolitik Deutschlands. Neben studentischen Präsentationen durften wir auch hier eine Reihe Redner bei uns begrüßen. So brachte uns Alexander Dierks von der sächsischen CDU diverse Strategien zur Integrationspolitik in Sachsen nahe und auch Prof. Dr. Birgit Glorius (TU Chemnitz) referierte zum Thema „Refugee Reception in Europe“. Alexander Beribes, früherer TUC-Student und nun Leiter des Abgeordnetenbüros von Alexander Dierks, führte in das jüdische Leben in Deutschland ein – das sich auch für die Israelis als erstaunlich vielfältig darstellte.
Mit aufgesperrten Augen und Ohren verarbeiteten wir die Menge an neuen Informationen, gingen aufeinander ein, diskutierten, stritten, wurden lauter und wieder leiser. Mal hörten wir zu, mal redeten wir durcheinander, aber vor allem versuchten wir zu verstehen, wie die andere Gruppe denkt, wie jeder Einzelne fühlt und welche Beweggründe zu einer Meinung führen können. Letztendlich kann ich nur sagen, dass sich für jeden Einzelnen von uns die Teilnahme an diesem Workshop mehr als gelohnt hat. Schon nach einer Woche können wir behaupten, Freundschaften fürs Leben geschlossen zu haben und noch während einige von uns die Israelis um 4 Uhr morgens zum Bahnhof auf den Rückweg begleiteten. Und selbst nachdem wir vergeblich versuchten, dem Zug hinterherzurennen, freuen wir uns alle auf den zweiten Teil des Workshops. Vom 26. bis 30. Juni 2017 werden wir in Sderot, Israel zu Gast sein und den politisch-wissenschaftlichen Diskurs, aber vor allem auch die Freundschaft weiterführen.
(Autorin: Karina Geipel, Workshop-Teilnehmerin)
Mario Steinebach
29.03.2017